Du kannst nicht entkommen!


02/2011

Seit letztem Juli ist eine Weile vergangen. Ein ganzes Semester und ein Jahreswechsel samt Zubehör. Viel Außergewöhnliches ist in dieser Zeit nicht geschehen. Durch einen reich gefüllten Stundenplan und zwei Nebenjobs konnte ich mich schon länger nicht mehr über Langeweile beklagen. Und auch jetzt, da die „Semesterferien“ wieder begonnen haben und ich zwei Seminararbeiten einzureichen habe, werde ich sicher weiterhin gut ausgelastet sein.
Mein Vorsatz für 2011: Genau den Kalender samt regionalen Feiertagen studieren um auf „Bibliotheksreisen“ keine böse Überraschungen zu erleben.
Heute, zur Feier des Tages und weil man das einmal im Jahr so machen sollte, haben wir ein lokales Fischrestaurant mit Tischdecken, Garderobe und norddeutschem Koch aufgesucht in der Absicht, einen schönen Abend zu verbringen und so der Heilbronner Alltags-Tristesse für ein paar Stunden zu entfliehen. Genannter Koch kam nun kurz nach unserem Erscheinen und Platz-Einnehmen persönlich an unseren Tisch und erzählte uns, was es den heute so alles gebe. Um es vorweg zu nehmen, das Essen, welches nicht Mittelpunkt dieser Darstellung sein soll, war vorzüglich, das Personal freundlich und kompetent, alles wirklich sehr schön und gelungen…
Ganz hinten links in der Ecke, gleichzeitig mit uns das Restaurant betretend, setzte sich ein Paar, offensichtlich in der Kennenlernphase, Gesprächsbrocken ließen Phrasen wie „Isst du eher Fleisch?“ und „Ich trinke nicht so gern trockenen Wein“ verlauten. Schon nach kurzer Zeit konnte der erfahrene seine-Umwelt-und-die-Menschen-Beobachter feststellen, dass es sich bei der Dame um eine jener Sorte handelte, die es im hiesigen Raum in ungewöhnlich großen Zahlen zu geben scheint. Eine Beschreibung ist für einen nicht-Sozio-Linguisten wie mich schwierig, da es sich vor Allem um Parameter wie Tonfall, Wortwahl und Syntax, aber auch Körpersprache und Gesprächsinhalt handelt. Das erste, was einem – zumindest mir – auffällt ist: boah, wie nervig! Man stelle sich eine junge Frau Mitte / Ende Dreißig vor, auf die Ellenbogen gestützt, vorgelehnt und mit hochgezogenen Augenbrauen. So redet sie nun mit stark auf und ab schwankender Sprachmelodie, stets in einem leicht entsetzten oder aufgebrachten Ton, Leitartikel-Überschriften zitierend auf ihren wehrlosen Gegenüber ein und versucht ihn damit von der Unsäglichkeit der Dinge zu überzeugen. Dabei verurteilt sie ob ihrer eigenen Gewöhnlichkeit alles Ungewöhnliche, weil es ihr ihre eigene Gewöhnlichkeit so sehr vor Augen führt, dass sie es nicht ertragen kann.
Sicher kennen viele diese Sorte Menschen, meist Frauen, bei denen man sich – je nach Intensität – auch mal dabei ertappt, wie man gerade in Gedanken jemanden kopfüber in die Kloschüssel steckt und spült. Gemessen an der Zahl solcher Persönlichkeiten hier in Schwaben, sind dies jedoch scheinbar ganz typisch schwäbische Eigenschaften, die da in Form von Charakter und Verhalten der Damen auf ganz unerträgliche Weise ans Tageslicht befördert werden.
Es gibt kein Entrinnen. Nichtmal in norddeutschen Fischrestaurants.
In solchen Situationen tauchen wie von Zauberhand gern Zeilen aus Wise Guys Liedern in meinem Kopf auf. So auch heute. (Ich wollte noch ein bisschen mit dem Versmaß klugscheißen, hat aber nicht geklappt):

„Du bist eine strapaziöse
Nervensäge und total gewöhnlich,
ich meine das nicht böse,
aber: bitte, nimm’s persönlich!“



Spackenstadt


07/2010

Ich habe Erkenntnisse gewonnen. Und Erkenntnisgewinn ist positiv, denke ich.

1.: Wenn man viel pendelt, relativiert sich die Wahrnehmung der Dauer von Bahnfahrten. DAS ist auf jeden Fall positiv, denn dadurch ertappt man sich manchmal bei Gedanken wie: Braunschweig-Berlin, 1 ½ Stunden? Na, da kann ich die Jacke ja anlassen.

2.: Alle schreiben Blogs. Alle.
Und es klingt bei allen gleich. Auch bei mir!
Und Alle! Schreiben aus ihrem Alltag. Alle (zumindest die meisten) könnten Platz in humorvollen Taschenbüchern mit Titeln wie „Tagebuch eines Endverbrauchers“ oder Anderem aus der immer größer werdenden Kategorie „Alltagswahnsinn“ finden.
Wer in der Stadt wohnt, hat wohlgleich mehr zu erzählen: von Betrunkenen und Randalierern unterm Fenster, Polizisten, die solche um 3 Uhr morgens zu beseitigen versuchen. Wer am Stadtrand wohnt muss gerne mal den ganzen Weg zu Fuß nach Hause laufen, weil die Verkehrsbetriebe schon wieder streiken und Pendler und Reisende können ja sowieso aus dem schier unerschöpflichen Bahn-Anekdotenpool schöpfen um die Schmunzler der Leser auf ihre Seite zu kriegen.
Was das alles nun mit Spackenstadt zu tun hat, weil ich auch nicht. Mir erscheint das nur ein äußerst passendes Synonym für Heilbronn. Denn Heilbronn ist ja im Grunde gar nicht so hässlich, wie immer alle sagen. Hier laufen einfach nur viel zu viele hässliche Leute mit Scheißdialekten rum!

Und nun ein Aufruf an alle Braunschweiger: fahrt bitte alle! für ein Jahr nach Schwaben. Oder in die Kurpfalz, egal. Und wenn Ihr wieder nach Hause kommt, dankt jedem Morgen wem auch immer Ihr wollt dafür, dass alle um Euch herum – sogar das alte Ehepaar morgens beim Arzt im Wartezimmer – in der Lage sind, anständiges Deutsch zu sprechen!
Ich hoffe, Ihr wisst das zu schätzen.
Bis dahin
Schöss!



Mal was Anderes.


04/2010

An dieser Stelle könnte ich mich – diesen Monat mehr denn je – natürlich wieder in Hülle und Fülle über die Skurrilitäten und Unannehmlichkeiten Heilbronns auslassen, in dem ich von Taubeneiern und –exkrementen auf meinem Balkon, Fußballspielern auf meinem(!) Basketballfeld („Geht’s noch? Was machst Du in meinem Spielfeld, du Arschkind?“ „Alder isch muss ne Ecke schießen vielleischt!?!“) und natürlich von hiesigen kleinkriminellen Arschkrampen, die einem sämtliches Eigentum klauen (oder zerlegen wenn’s festgeschraubt ist) sobald man sich umdreht, berichten. Das bringt aber nur schlechte Laune und ein mieses Karma, deshalb mach ich heute mal was Anderes: ich erzähle Euch von meiner letzten „Forschungsarbeit“. Da natürlich kein Normalsterblicher dieses Musikwissenschaftliche Fachblabla versteht, gibt’s eine aufbereitete und ein bisschen vorgewärmte Version dessen, was sich in meiner Arbeit auf rund 30 Seiten erstreckt.
Es geht um Opern. Die mag eigentlich keiner – zumindest ist immer das erste, was man hört, wenn heute irgendwo eine Opernsängerin am Werk ist „Warum schreit die denn so rum? Gib der doch mal was zu essen!“ Das interessante daran ist allerdings, das Opern aus zwei Teilen bestehen: einer Musik und einem Theaterstück. Und genau das habe ich untersucht. Ich habe mir zwei CDs genommen, die laut Cover beide das gleiche beinhalten sollten. Dass das meistens nicht der Fall ist, wenn es sich um verschiedene Interpreten handelt, sieht man oft genug in der Popmusik, wenn jemand ein altes Lied covert: das ist dann zwar noch das gleiche Lied, hört sich aber irgendwie ganz anders an. So ist es auch bei klassischer Musik. Zwar spielen hier die Musiker immer die gleichen Noten und man braucht sicherlich ein bisschen mehr Erfahrung um die Unterschiede rauszuhören, aber vorhanden sind sie dennoch.
In der klassischen Musik gibt es eine Entwicklung, die sich „Historische Aufführungspraxis“ nennt. Das heißt der Musiker schaut sich ganz genau die Bedingungen zur Zeit der Entstehung des Stücks an und obwohl er heute vielleicht eine technisch viel bessere Geige zur Verfügung hätte, benutzt er eine alte, möglichst original aus der Zeit, um einen Klang zu erzeugen, wie er damals auch geklungen haben mag. Ob das stimmt weiß natürlich keiner, dummerweise hat Mozart keine Aufnahmen von seinen Stücken machen können. Aber die Suche nach größtmöglicher Authentizität ist heute allgegenwärtig. Der Grundgedanke bei dieser Arbeit ist immer die Komponisten-intention, also was wollte der Komponist, das wir spielen? Das ist der wichtigste Unterscheid meiner beiden CDs: hat das Orchester versucht, so original wie möglich zu klingen oder hat es einfach so gespielt, wie es die Zu-schauer im 20. Jahrhundert gewöhnt sind?
Jetzt kommt das Bild dazu: ich habe eine Inszenierung aus den 70ern und eine von 2006 im Vergleich. Da findet selbst der Laie sofort Unterschiede: Brokatkleider gegen Leinenhosen, eine Illusionsbühne gegen einen einfarbigen Hintergrund und so weiter. Offensichtlich versucht der Regisseur hier nicht immer mehr dem Original zu entsprechen. Die große Frage ist jetzt: warum nicht? Warum gibt es in der Musik die Tendenz, alles so original wie möglich umzusetzen und bei der Inszenierung passiert genau das Gegenteil nämlich eine Übertragung des Geschehens in die heutige Zeit. Wenn man sich jetzt Mozarts Uraufführung von 1781 ansieht, stellt man fest, dass auch er seine Oper der Zeit angepasst hat: trotzdem dass dem Ganzen eine griechische Tragödie zugrunde liegt, tragen Mozarts Schauspieler Uniformen und Kleider aus dem 18. Jahrhundert, also etwas, woran sein Uraufführungsublikum gewöhnt war und nicht etwa griechische Gewänder. Wollte Mozart nun, dass wir es genauso machen wie er oder wollte er, dass wir unsere Produktion an die Zeit anpassen – genau wie er?
Darüber streiten sich Musiker und Wissenschaftler. Manche lassens einfach ganz bleiben und versuchen gar nicht erst, original zu klingen; wie Jacques Loussier zum Beispiel, der sich mit seinem Jazz-Trio auf Bach-Interpretationen spezialisiert hat.

Viel Spaß damit und bis bald!



Aaaaah! Aaaaah! Alles voller Bekloppter hier!


02/2010

In Deutschlands größter Möchtegern-Karnevalshochburg aufzuwachsen ist nicht immer leicht. Ich erinnere mich an Lobpreisungen des Braunschweiger Karnevalsumzugs als den nach Köln und Mainz mal drittgrößten in ganz Deutschland, er hat sogar eine eigene Kategorie im Wikipediaeintrag „Karnevalsumzüge“ bekommen. Außerdem erinnere ich mich an mit maschinengewehrgroßen Wasserpistolen bewaffnete Schülervertreter, die jedes Jahr an Rosenmontag auf diese Weise gelangweilte Flüchtlinge von der Flucht von der total fetzigen Rosenmontagsparty abhalten sollten (wegen der Schulpflicht!) und Gewinnspiele, die zumindest ein paar Leute dazu bringen sollten, sich (un)freiwillig zu verkleiden. Meistens haben alle gewonnen, die verkleidet waren (alle 10). Nach dem Umzug am Sonntag und der Party in der Schule war der Spuk also vorbei. Man kann daraus schließen, dass es sich bei Karneval um ein punktuelles Ereignis handelt, nicht wie Weihnachten, das sich ja im Grunde über eine ganze Woche erstreckt.
Das nur als Grundlage für das nun Folgende.

Als anständiger und gewissenhafter Student mache ich in den Semesterferien natürlich keinen Urlaub sondern arbeite an meiner Seminararbeit. Dazu bedarf es einer Menge Fachliteratur, die ich nun leider nicht in der Stadtbücherei Heilbronn bekomme. Ich schnappe mir also meinen größten Rucksack und besteige den Zug nach Heidelberg, im Grunde nichts Besonderes, denn das mach ich inzwischen schon eine ganze Weile so.
Kurz vor Heidelberg steigen plötzlich ein paar verkleidete, bemalte und vor allem lärmende Gestalten hinzu, die mich daran erinnern, dass ja am Wochenende Fasching war und jene dort offensichtlich noch ein paar Überreste davon sind. In dem Moment jedoch, da ich den Heidelberger Hauptbahnhof betrete, mutiert meine einst wertfreie Feststellung sogleich in eine böse Vorahnung: zu viele bunte, lärmende Menschen, als dass es sich hierbei noch um Überreste handeln könnte.
Meine erste Begegnung mit den Heidelberger Faschingsgepflogenheiten findet vor den verschlossenen Türen des rnv-Kundenzentrums statt, das aufzusuchen es notwendig ist, um mein Semesterticket verlängern zu lassen. Beim Lesen der Information „Sehr verehrte Kunden, wir haben von Samstag, 13. bis Dienstag, 16.2.’10 geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis“ gehen mir Dinge durch den Kopf wie „WAAS? Und deshalb komm ich hier extra hergegurkt? Es ist Dienstag!“
Dass der Bus vom Bahnhof in die Stadt eine geänderte Streckenführung verfolgt, wundert mich auch nicht mehr weiter, ich kenn mich ja inzwischen genug aus, als dass ich mir ungefähr ausrechnen kann, wo ich landen könnte und wie ich dann von da aus weiterkomme. Was für die verkleideten Japaner hingegen nicht zutrifft. Sieht irgendwie niedlich aus, so’n verwirrter Japaner mit grünen Haaren…
Abgesehen davon, dass mir jemand ein Buch, das ich ausleihen wollte, noch am selben Morgen vor der Nase weggeschnappt hat, verläuft mein Bibliotheks-Aufenthalt erstaunlich erfolgreich und ohne größere Zwischen- oder Runterfälle. Das war ja auch nicht immer so!
So. Ich muss noch ein paar Kopien machen, aber erstmal was essen. Also ab in die Mensa, das beinhaltet allerdings auch das Überqueren der Hauptstraße, wo sich beängstigend viele der obig genannten Menschensorte versammelt haben und immer mehr und lauter werden. Trotz der bunten Japaner im Vorfeld ist dieser Anblick nach einer Weile grauer stiller Bibliotheksatmosphäre wieder aufs Neue befremdlich. Selbst die Kassentante in der Mensa, die NIE spricht (außer man weiß nicht, dass man den Teller auf die Wage und die Karte ins Lesegerät tun muss, dann sagt sie „Bar?“), trägt ein Papphütchen. Nach dem Essen noch kurz beim Bäcker vorbei, einen Donut und Kaffee bevor’s ans Kopieren geht. Hallo? Die Back Factory hat zu? Was?? Hmm, dann halt keinen Kaffee: und keine Kopien, denn: das Seminar hat AUCH zu! Also gut, dann eben nicht. Ich wusste ja schon immer, dass die Welt mich hasst. Ich nehme einen Bus zum Bahnhof, der eine halbe Stunde bevor mein Zug fährt dort ankommen soll. Aber: Pustekuchen. Durch den Umzug auf der Hauptverkehrsstraße ist natürlich alles verstopft und ich komme gerade noch rechtzeitig am Bahnhof an. Immerhin haben die Bäckereien da geöffnet.
Nun werdet Ihr den Kopf schief und den Zeigefinger an den Mundwinkel legen und sagen: Moment mal! Sie war doch vor einem Jahr um diese Zeit auch schon in Heidelberg. Ha! Sie kann also nicht behaupten, sie hätte von nichts gewusst! Nun: weit gefehlt! Außer einem Veedelszug, der zwar auch in Plankstadt dafür sorgte, dass der Bus irgendwie anderslang fuhr, hat man in der Isolation der Provinz nichts von irgendwelchen komischen Veranstaltungen dieser Art mitbekommen. Und Heilbronn ist ja bekanntlich das Äquivalent zu Plankstadt, nur mit mehr Leuten. Hier wird Valentinstag größer gefeiert als Fasching.
Fazit: Im Grunde hatte ich echt eine Menge Glück heute. Wenn man es so bezeichnen möchte. Mein Semesterticket konnte ich glücklicherweise am Bahnschalter erwerben, die UB hatte NICHT geschlossen und ich habe vermutlich gerade rechtzeitig im letzten Moment noch die Hauptstraße überquert, bevor der Faschingsumzug die Stadt in zwei Hälften geteilt hatte.

PS: Dieses Dreckswetter, kann das vielleicht endlich mal aufhören? Länger als 1 ½ Tage? Hatte ich erwähnt, dass unser Fahrradraum im zweiten Untergeschoss ist und ich das Fahrrad, weil ich es bei -10°C nachts nicht draußen stehen lassen kann, jedes Mal zwei Stockwerke rauf und wieder runtertragen muss? Was ist denn jetzt mit dieser blöden Klimaerwärmung?



Merkwürdigkeiten


12/2009

Die haben den Brunnen ausgemacht. Und die Kaufhof-Reklame leuchtet jetzt die ganze Nacht durch. Den Kids, die sonst vor dem Haus rumgelungert haben, isses wohl inzwischen auch zu kalt geworden. Wie soll denn da ein gesunder Biorhythmus entstehen – so ganz ohne Eckpunkte?!
Ich wohne jetzt inzwischen wohl lange genug hier um heute einmal von ein paar Heilbronner Merkwürdigkeiten zu berichten. Beginnen wir mit der vermutlich berühmtesten Sehenswürdigkeit Heilbronns. Nein, nicht die Weinberge und auch nicht das moderne Wollhaus, was in den Siebzigern wohl tatsächlich eine Attraktion war, die in der ganzen Region Wochenendausflüge nach Heilbronn auslöste. An dieser Stelle noch ein kurzes Zitat aus dem deutschen Wikipedia-Eintrag zum Heilbronner Wollhaus: „Das Wollhauszentrum mit seinem markanten zehnstöckigen Büroturm und dem flacheren, asymmetrischen Kaufhaustrakt wurde im Stil des Brutalismus erbaut.“ Ganz offensichtlich.
Nein, die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit ist unser Heilbronner Neckarpenis. Ja. Ein Penis. Wo er herkommt weiß man nicht und auch nicht, was er da soll. Eine rund 7m lange Holzskulptur in Form eines Penis. Ich meine – Hä?
Nun gut. Weiter im Text. Unweit des Neckarpenis‘ wird der Neckar überspannt von einer Brücke. Nichts Besonderes, mag man meinen. Aus irgendeinem mir noch nicht klaren Grund zieren jedoch diese Brücke unser Reichsadler sowie bedeutungsschwangere Jahreszahlen zwischen 1930 und 1950. Lasst mich wissen, wenn jemand eine Ahnung hat, was uns der Dichter damit sagen möchte.
Wenn man sich im Sommer in Bahnhofsnähe aufhält sieht und hört man sie schon von Weitem: Die Taxifahrer. Das ist nun wirklich ein amüsanter Anblick. Direkt am Taxistand schlagen die hiesigen Taxifahrer jeden Sommer ihr Camp auf. Eine Bierzeltgarnitur und einen Sonnenschirm, mehr braucht es offenbar nicht um sich jeden Tag und jede Nacht die Zeit zu vertreiben mit Spielen und Geselligkeit. Dass sie sich jetzt nicht einfach einen Heizpilz dahin gestellt haben enttäuscht mich ein bisschen.
Was meine Person betrifft: ich stehe jetzt wieder in der Buchhandlung (bei DENEN!) und schaffe „Magic Moments“ mit den Kunden (Das steht so in der Arbeitsanweisung!). Nur das mit dem Flitterregen krieg ich noch nicht so ganz hin.
Weihnachten hat vor einer Weile angefangen und nun muss ich mich nicht mehr nur jeden Tag durch Glühwein-Bratwurst-Gemenge schieben, um zur Uni oder zur Arbeit zu kommen – nein – ich wohne sogar mitten drin! Aber Leute, ganz ehrlich: DAS soll ein Weihnachtsmarkt sein? Ihr wart wohl noch nie in Braunschweig!



Die Sache mit den Uhren


08/2009

Ich bin schonwieder umgezogen. Ja, langsam bekomme ich Übung und meine Möbel immer mehr Kratzer und Kanten. Trotzdem kamen mir die Semesterferien gerade recht um mich in Ruhe in meinem neuen Heim einzurichten.
Ich wohne in Heilbronn. Das klingt jetzt im Vergleich zu „Ich wohne in Heidelberg“ vielleicht ein bisschen bemitleidenswert, aber im Vergleich zu „Ich wohne in Plankstadt“ (ich erinnere: das entsprach durchaus der Wahrheit!) kann es sich eigentlich nur um einen sozialen Aufstieg handeln, denn nach Plankstadt kommt nicht mehr viel. Nordwest Brandenburg vielleicht.
Jetzt wohne ich dritten Stock, mit einem Balkon und einem Haufen Fenster, mitten in der Stadt. In jeweils 2 Minuten bin ich am Bahnhof, bei der Arbeit und im Freibad und 100m von hier ist das Neckarufer und ganz viele kleine Enten!
Nun, die hier in Heilbronn vertretene Klientel ähnelt der Heidelberger in sehr wenigen Punkten. Trifft man in der Heidelberger Fußgängerzone hauptsächlich auf Akademiker, Studenten oder reiche Japaner und Amerikaner, begegnet man hier vermehrt Familien und jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund. Den haben sie jedoch zumeist lange hinter sich gelassen und sich ganz der deutschen Kultur und Mode angepasst. Leider scheinen sie dazu schon lange nicht mehr in den Kalender geschaut zu haben um festzustellen, dass wir NICHT mehr die Achtziger Jahre schreiben und VoKuHiLas eigentlich auch schon eine Weile lang nicht mehr modern sind.
Aber jeder hat ja seine Funktion in der Gesellschaft. So auch unsere Mitheilbronner, denn: in Heilbronn braucht man dank ihnen keine Uhr! Zumindest nicht im Sommer.
Wenn man ein wenig aufmerksam durch den Tag geht, kann man anhand der Dinge, die in seinem unmittelbaren Umfeld geschehen, zweifelsfrei die Uhrzeit ablesen. Einigen davon entkommt man so oder so nicht und wenn man sich noch so sehr anstrengt.
Beginnen wir abends. Man sitzt gemütlich beim Abendessen auf dem Balkon, auf den die untergehende Abendsonne scheint und bemerkt, wie es langsam in der Innenstadt ruhiger wird. Schon das gibt zu verstehen, dass es 20 Uhr, vielleicht 20 Uhr 15 sein muss. Man hört, wie Geschäfte ihre Eingangstüren schließen und sieht, wie sie das Licht löschen. Der Brunnen auf dem Platz unter uns plätschert leise vor sich hin. Plötzlich: Stille. Der Brunnen ist ausgegangen: es ist 21 Uhr!
Nun, es wird auch langsam frisch und wir gehen rein, setzen uns aufs Sofa, lesen oder sehen uns einen Film an. Von gegenüber leuchtet die Kaufhof-Reklame ins Wohnzimmer, das schafft eine nette indirekte Beleuchtung. Plötzlich: dunkel! Aber halt: nicht etwa in die Falle tappen, denn das Kaufhofpersonal hier am Ort scheint mir ein wenig inkonsequent. Nun kann es entweder 21 Uhr 30 oder aber auch 22 Uhr sein. Die Frage wird sich aber schnell klären, denn sobald man sich auf den Weg ins Bett macht wird man feststellen, dass es plötzlich von draußen her ruhiger wird. Der Grund: die kleinen Geschwister der VoKuHiLa tragenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlassen um 22 Uhr 30 mit ihren Muttis den Innenstadtspielplatz, gehen nach Hause und werden Um 23 Uhr von den Lans (von Ulanen, vom türkischen Wort „oğlan“ = junger Mann) abgelöst. Die setzten sich auf die Bänke am Spielplatz und spielen sich gegenseitig ihre neusten Klingeltöne vor und Mensch was haben die tolle Klingeltöne!
Von 0 bis 1 Uhr ziehen die vorgeglühten Discogänger sowie die Junggesellinnenabschiedsfeiern quietschende rosa Haufen in Scharen unterm Fenster vorbei, leicht oder starkt angetrunken, je nach Glut. Zwischen 2 Uhr 30 und 3 Uhr gehen die RICHTIG Betrunkenen nach Hause, die aus den Kneipen geflogen sind, als sie zugemacht haben.
Jetzt kann der Heilbronner in Ruhe schlafen, denn er weiß, dass alle heil nach Hause gekommen sind und alles ist wie immer.
Um 6 Uhr 30 beginnt der Tag – man braucht noch nichtmal einen Wecker! – mit der Reinigung der Fußgängerzone von Liegengebliebenem und Liegengebliebenen. Ordnung muss sein.
Die Fußgängerzone ist lang und wird eben dieser Länge nach mit dem Alba-Supermobil mit Kerosinantrieb grundgereinigt. Mein Schlafzimmer befindet sich am Ende und somit bekommt man auch die Snooze-Funktion gleich gratis dazu. Ab 6 Uhr 30 wendet Alba-Man alle halbe Stunde direkt unterm Fenster. Bis um 8 alles blitzsauber ist.
Dann muss das Alba-Mobil Platz machen für die LKWs, die Essen, Kleider und Mikrowellen zu den Geschäften bringen. Die LKW-Fahrer müssen dazu rückwärts (akustisches Rückwärtsfahren-Signal) an die Laderampen fahren und bei laufendem Motor ihre Hebebühnen anpassen und entladen. Das muss alles sehr schnell gehen, denn um 9.30 kommen die Heilbronner zur wilden Preisschlacht in meine Wohnung…



Nord-Süd-Gefälle


05/2009

Dass ich nicht so ein großer Fan von Bergen bin (ausgenommen sie sind französisch und münden unmittelbar ins Meer), ist ja kein Geheimnis. Umso froher war ich, mich kürzlich endlich wieder auf den Weg gen Norden zum Kirchentag in Bremen machen zu können. Endlich mal wieder anständige Schiffe! Hier auf dem Neckar sieht man ja höchstens mal – wenn man Glück hat – so einen Flusskahn, der dann ein Paar Wellen ans Ufer schwappen lässt.
Auf meinem Weg durch Fahrrad-Fahren-Land genoss ich die Aussicht aus dem Zug auf die niedersächsische Landschaft, die mich, hätte da nicht jemand Bäume gepflanzt, sicherlich bis mindestens Kiel hätte schauen lassen.
Ähnlich ging es mir rund eine Woche später auf dem Weg nach Hamburg. Angefüllt mit einer gewissen inneren Freude, die diese Stadt auf mich ausübt, durchstreife ich also diesen schönen Hafen und lade mich mit hoffentlich ausreichend Seeluft bis zu meinem nächsten Besuch auf. Die verfliegt hier unten nämlich schnell wieder.
Die Cap San Diego, die noch auf dem Bremer Kirchentag als Ausstellungsort gedient hatte, war nach ihrem Ausflug nun – wie ich – wieder zu Hause in ihrem Heimathafen angekommen.
Dafür, dass die Jahresdurchschnittstemperatur hier in Heidelberg deutlich (satte 2°C) höher ist als in Braunschweig oder Hamburg, ist es doch irgendwie bezeichnend, dass ich meistens bei Schlechtem Wetter hier wegfahre und bei gutem im Norden ankomme, wohingegen ich mich auf meiner Rückfahrt spätestens ab Göttingen auf garantierten Niederschlag beinah verlassen kann.
Aber zurück nach Bremen: als ich nun in einer der vielen überfüllten Kirchentagsbahnen einem angeregten Gespräch zwischen zwei älteren Damen, die ganz offensichtlich aus dem Oldenburger Land stammten, lauschen durfte, schoss mir unverzüglich ein Bild durch den Kopf:
Angenommen wir befänden uns nicht in Bremen sondern, sagen wir, zwischen Mannheim und Heidelberg und ließen die zwei Damen statt ihres breiten plattdeutschen Dialekts einmal waschechtes Kurpfälzisch sprechen: Die Szene wäre ruiniert. Die beiden Damen verlören mit jedem weggelassenen N am Wortende und jedem SCH vor einem T scheinbar stetig an Intelligenz und Weltgewandtheit. Klingt doch jemand, der einen nordischen Dialekt spricht, grundsätzlich von sich, der Welt und vor allem dem, was er sagt, 100%ig überzeugt.
Woran liegt das? Ist es meine Hörgewohnheit oder vielleicht die Tatsache, das Pfälzisch ausgesprochene Aussagesätze – die Hebungen und Senkungen betrachtend – grundsätzlich wie Fragen klingen?
(Hierzu bitte ich bei Interesse den Wikipedia-Artikel „Kurpfälzisch“ zu konsultieren, da ich diese Aussprache beim besten Willen schriftlich nicht artgerecht wiederzugeben vermag… Tipp: einmal vorher ohne Bild anhören!! www.youtube.com/watch?v=zK9cj1Bchpw,)
Wer, so wie sicherlich einige von Euch und auch ich, den Großteil seiner Kindheit und Jugend quasi mitten unter Dialekt-Nazis verbracht hat, mit seinen Eltern Hamburg, Berlin, München und bestenfalls mal Bekannte in Sachsen besucht hat, wird verstehen, dass es mir lange schwerfiel, zu glauben, es gebe tatsächlich mehrere verschiedene(!) Dialekte in Süddeutschland. Ich weiß nicht genau wieso, aber auf der Buchhändlerschule in Seckbach, hatte ich festgestellt, musste ich mit solchen Vermutungen immer sehr vorsichtig sein. Liegt Franken denn etwa nicht in Bayern? Und Schwaben in Baden(!)-Württemberg? Irgendwie schienen meine Mitschüler da irgendwelche mir unergründlichen Probleme mit ihren Nachbarregionen zu haben.
Heute bin ich stolz darauf, immerhin Schweizer von Bayern und Schwaben von Pfälzern unterscheiden zu können, nech?
Und was in aller Welt heißt bitte „Gä?“?



Abbreviationen


05/2009

Deutscher wie fremdländischer Öffentlicher Personennahverkehr (im Folgenden ÖPNV) vermag ja bekanntermaßen ganze Kolumnensammlungen zu füllen. Wie schon mit dem Aufenthalt in der Bibliothek möchte ich mich auch hier einer Tradition anschließen.
Jüngst habe ich mir erzählen lassen, dass man, um Nahverkehrskontrolleur in NRW zu werden, eine Art Fahrkartenbibel (hier lediglich Gemeinsamkeiten dessen Umfang betreffend) auswendig lernen muss, um zu wissen welcher Schüler mit welcher Fahrkarte aus welchem Tarifgebiet an welchem Tag denn jetzt sein Fahrrad und welcher Abonnent am Wochenende seine Familie kostenlos mitnehmen darf. Das ist aber nicht mein Problem denn weder bin ich Kontrolletti, noch wohne ich in NRW.
Ich wohne nämlich in Baden-Württemberg. Was es kein Stück besser macht. Denn hier herrscht der VRN = Verkehrsverbund Rhein-Neckar. Dieser erstreckt sich von Wissemburg in Frankreich bis nach Würzburg in Bayern. Nach Norden und Süden ist dessen Expansion eher weniger relevant. Dieses gesamte Gebiet wird z.B. durch das hiesige Semesterticket abgedeckt, das sich seit geraumer Zeit in meinem Besitz befindet.
Hier in Heidelberg haben sich diese spitzfindigen Schelme offenbar gedacht: „Machen wir uns doch mal einen Spaß und vertauschen die Buchstaben“. Gesagt, getan. Als ich eines Tages also am Heidelberger Bahnhof nach einem VRN-Plan fragte, schaute mich die Dame ein wenig verwirrt an und fragte dann, ob ich denn den rnv-Netzplan meinte. Will die mich verarschen? Nein tatsächlich: um von meiner Haustür bis in die Stadt zu gelangen, muss ich als Erstes einen Bus nehmen, der dem BRN = Busverkehr Rhein-Neckar angehört, ein DB-Unternehmen, in dem man daher als Bahncard100-Besitzer umsonst fahren kann. Dann muss ich in eine Bahn des Heidelberger rnv steigen (der Bahncard100-Besitzer kauft sich JETZT eine Fahrkarte) und das Ganze befindet sich nun im Netz des VRN…
Alle Klarheiten beseitigt? Gut. Der Bus fährt so ab, dass die Bahn genau erreicht wird. Klappt in ungefähr 50% der Fälle. Die ersten 3 Haltestellen der Bahn liegen an einer einspurigen Strecke. Das heißt: die Bahn fährt ab ob der Bus da ist oder nicht, ob es hagelt oder stürmt. Täte sie das nicht, so könnte die vermutlich schon wartende Bahn aus der Gegenrichtung nicht pünktlich einfahren, verursachte eine Verspätung der darauffolgenden und so weiter und so fort.
Bus hält also an, alle Leute raus: Bahn fährt los. Großes Geschrei. In der nächsten Bahn, die schon in den Bahnhof eingefahren war, nehme ich auf einem der Vierersitze Platz und warte. Und ahne Schlimmes: neben mir setzt sich eine Dame mit – wenig gekämmtem Haar, zwei vollen Plastiktüten und einem scheinbar unstillbaren Mitteilungsbedürfnis. Der Rest ist vorprogrammiert. Es dauert geschlagene 9 Minuten, bis ich sie in mein Buch starrend beleidigtgeschwiegen habe und sie wieder aussteigt. Später erzählen mir meine „Mitfahrer“, dass sie sich von draußen hinter mich gestellt und durch die Scheibe mein Buch mitzulesen versucht hat. Nun denn, Erleichterung nähert sich mir an als die Bahn losfährt, bleibt aber dann vorsichtshalber noch eine Weile weg als sich an der nächsten Haltestelle eine Familie mit 3 Kindern um mich herum drapiert. Nach 3 Minuten permanentem Schienbein-Treting durch weibliche 4-Jährige, mussten – so dachte ich – doch auch die Eltern meine mit Mordlust gefüllten Blicke bemerkt haben. Mein iPod geht nicht lauter zu drehen. Ich verstehe den Sänger nicht mehr, denn weibliche Minderjährige schlägt sich schreiend mit engem Verwandten (vermutlich Altersgenosse) um Süßigkeit. 10 Minuten lang…am Stück.
Die Eltern – weiterhin unwillig etwas zu unternehmen außer sich über den morgigen Lebensmitteleinkauf auszutauschen – klemmen sich nach gefühlten 3 Stunden Malträtieren ihre Terroristen unter den Arm und steigen aus. Ich bereite mich derweil mental auf die nächste Katastrophe vor, die natürlich auch nicht lange auf sich warten lässt: hab ich etwas überhört wegen meiner Lautsprecher im Ohr oder hat sich mein Straßenbahnfahrer verfahren?? Die fragenden Gesichter meiner Mitfahrgäste lassen vermuten, dass auch sie informationslos geblieben sind und durchaus gern wüssten, warum die Bahn JETZT, HIER abbiegt.
Es folgt: keine Erklärung. Nur: Alle aussteigen! Alle raus – da steht ein Bus (ein BUS! Und zwar einer ohne Zieharmonika!) Alle rein. Ziemlich eng da.
Nicht, dass mein Weg in die Stadt mit der Bahnfahrt enden würde, nicht doch. Für gewöhnlich – laut Fahrplan – schließt sich an die Bahnankunft in der Innenstadt eine direkte Busverbindung in die Altstadt an. Dieser besagte Bus verlässt natürlich unmittelbar seine Haltestelle als wir uns dieser nähern. Mehr Geschrei. Aber, weil die Heidelberger ja so gewieft sind, steht auch hier schon ein Ersatzbus bereit – an der falschen Haltestelle, ohne Aufschrift, aber – who cares?! DER bringt mich nun mit rund 20 Minuten Verspätung an mein Ziel.
Natürlich brauch ich mich jetzt auch nicht mehr beeilen, denn ob ich 20 oder 25 Minuten zu spät bin schert nun wirklich niemanden. Also gehe ich gemäßigten Schrittes auf den Eingang zu und erkenne mit jedem Schritt deutlicher die Zeilenauf dem Zettel an der Eingangstür: „Die Veranstaltung von Frau Hungensiel (9h-11h Hörsaal) fällt heute wegen Krankheit aus. Das Sekretariat“



Survival


02/2009

Jetzt ist es soweit, ich bin jetzt ganz offiziell Student. Das sind die, über die man sich als arbeitender Mensch immer lustig macht. Oder ärgert.
Was mach so ein richtiger Student? Ich habe gehört, die sollen tagsüber in Bibliotheken rumsitzen und nachts feiern. Das mit dem Feiern gestaltet sich dank meiner geographischen Lage zur Zeit etwas schwierig, also dachte ich mir, um mich in das allgemeine Bild einzufügen, gehe ich in die Bibliothek. Heute, so habe ich beobachtet, muss man zum Arbeiten seinen Laptop mit dahin nehmen.
Ich schnappe mir also meine sieben Sachen und ziehe los. Im Erdgeschoss der Heidelberger Uni-Bibliothek (im Folgenden UB genannt) sind Schließfächer. Da schmeiß ich den Rucksack und die Jacke rein und mit dem PC, ein paar Büchern und Schreibzeug mache ich mich auf den Weg zum Lesesaal am anderen Ende des Gebäudes im zweiten Stock (Heidelberg = alte Uni = alte UB = enge Wendeltreppen…)
Am Eingang zum Lesesaal werde ich forsch von einem Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass ich die Neopren-Schutzhülle um meinen Computer nicht mit reinnehmen dürfe und nein, ich könne sie nicht hier am Aufpassertresen lassen. Draußen vor dem Lesesaal seien Schließfächer. Na klar, weil ich JETZT auch noch eine 2€-Münze für den Schrank dabei habe…
Ich laufe also vom zweiten Stock wieder ins Erdgeschoss (wir erinnern uns an die 2 Stockwerke und das andere Ende des Gebäudes) und nehme diesmal gleich den gesamten Fachinhalt mit nach oben um ihn dort wegzusperren.
Wieder oben angekommen mache ich mich daran, alles wie vorgeschrieben zu verstauen, was einfacher klingt, als es tatsächlich ist, wenn alle Fächer am Lesesaal (im Übrigen die einzigen im 2. Stock) vollständig belegt sind. Nun steh ich da mit meinem Haufen Krempel auf und an mir und überlege mir meinen nächsten Schachzug.
Da nach drei Malen zwei Stockwerke durch eine schmale Wendeltreppe Überwinden die Gehirnfunktion schon leicht beeinträchtigt scheint, komme ich zu dem weniger cleveren Schluss, wieder runter zu gehen und doch wieder alles im Erdgeschoss zu lassen. Blöd nur, dass inzwischen auch da alle Schränke voll sind. Ich glaube mich zu erinnern, dass im Keller noch welche seien. Und wenn nicht, dann ist da aber der große PC-Arbeitsraum, in dem man sich einfach mit allem seinem Kram installieren und arbeiten kann. Aber ganz ehrlich: hatte jetzt irgendjemand geglaubt, dass eine der beiden Möglichkeiten funktionieren würde??
Natürlich gibt es im Keller keine weiteren Schränke und auch der PC-Lernraum ist überfüllt.
Gut. Letzte Möglichkeit: die „Caféteria“, ein Raum mit 4 Tischen 20 Stühlen drumherum und je einem Getränke- und einem Süßigkeitenautomaten. Da ist tatsächlich noch ein Platz, auf dem ich mich entlade, meinen PC starte und mich mit dem UB-Netzwerk verbinde. Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass sich eben jener von der Caféteria aus offenbar weigert, mich über das lokale Netzwerk hinaus zu verbinden. Es folgen einige Minuten der Mediation und Beruhigung, nach denen ich mich erneut zusammenpacke, unter den Arm klemme und die Suche nach einem Spint fortsetze.
Gerade erspähe ich aus dem Augenwinkel das Objekt der Begierde, droht auch schon eine Konkurrentin, mir meine Beute strittig zu machen. Aber das kann sie mal vergessen denn JETZT bin ich an der Reihe und überhole sie noch auf der Zielgeraden. Der Schrank steht am Ende einer in eine Nische gequetschten Schrankreihe in der Ecke und in rund 20cm Entfernung gegenüber einer Wand. Wäre ja alles nicht so schlimm, wenn die Tür nicht in die Falsche Richtung aufginge, sodass sie, einmal geöffnet, den Zugang zum Schrank selbst versperrt. Sollte es jetzt daran scheitern? Wäre doch gelacht, wenn ich meinen Rucksack nicht über die Tür ins Fach geworfen bekäme!
Jetzt kann ich in den Lesesaal gehen. Diesmal bestimmt! Und siehe da: der Typ am Eingang hat auch aufgehört zu meckern. Jetzt muss ich mir nur noch ein nettes Plätzchen suchen und dann kanns losgehen.
Ich glaube, ich brauche inzwischen nicht mehr zu erwähnen, dass auch das nicht reibungslos von statten gehen konnte. Natürlich war nirgends mehr Platz und ich musste mich schlussendlich zwischen Juristen und Soziologen in die hinterste Ecke der Bibliothek setzen um festzustellen, dass ich auch hier keinen Internetzugang habe…