Survival


02/2009

Jetzt ist es soweit, ich bin jetzt ganz offiziell Student. Das sind die, über die man sich als arbeitender Mensch immer lustig macht. Oder ärgert.
Was mach so ein richtiger Student? Ich habe gehört, die sollen tagsüber in Bibliotheken rumsitzen und nachts feiern. Das mit dem Feiern gestaltet sich dank meiner geographischen Lage zur Zeit etwas schwierig, also dachte ich mir, um mich in das allgemeine Bild einzufügen, gehe ich in die Bibliothek. Heute, so habe ich beobachtet, muss man zum Arbeiten seinen Laptop mit dahin nehmen.
Ich schnappe mir also meine sieben Sachen und ziehe los. Im Erdgeschoss der Heidelberger Uni-Bibliothek (im Folgenden UB genannt) sind Schließfächer. Da schmeiß ich den Rucksack und die Jacke rein und mit dem PC, ein paar Büchern und Schreibzeug mache ich mich auf den Weg zum Lesesaal am anderen Ende des Gebäudes im zweiten Stock (Heidelberg = alte Uni = alte UB = enge Wendeltreppen…)
Am Eingang zum Lesesaal werde ich forsch von einem Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass ich die Neopren-Schutzhülle um meinen Computer nicht mit reinnehmen dürfe und nein, ich könne sie nicht hier am Aufpassertresen lassen. Draußen vor dem Lesesaal seien Schließfächer. Na klar, weil ich JETZT auch noch eine 2€-Münze für den Schrank dabei habe…
Ich laufe also vom zweiten Stock wieder ins Erdgeschoss (wir erinnern uns an die 2 Stockwerke und das andere Ende des Gebäudes) und nehme diesmal gleich den gesamten Fachinhalt mit nach oben um ihn dort wegzusperren.
Wieder oben angekommen mache ich mich daran, alles wie vorgeschrieben zu verstauen, was einfacher klingt, als es tatsächlich ist, wenn alle Fächer am Lesesaal (im Übrigen die einzigen im 2. Stock) vollständig belegt sind. Nun steh ich da mit meinem Haufen Krempel auf und an mir und überlege mir meinen nächsten Schachzug.
Da nach drei Malen zwei Stockwerke durch eine schmale Wendeltreppe Überwinden die Gehirnfunktion schon leicht beeinträchtigt scheint, komme ich zu dem weniger cleveren Schluss, wieder runter zu gehen und doch wieder alles im Erdgeschoss zu lassen. Blöd nur, dass inzwischen auch da alle Schränke voll sind. Ich glaube mich zu erinnern, dass im Keller noch welche seien. Und wenn nicht, dann ist da aber der große PC-Arbeitsraum, in dem man sich einfach mit allem seinem Kram installieren und arbeiten kann. Aber ganz ehrlich: hatte jetzt irgendjemand geglaubt, dass eine der beiden Möglichkeiten funktionieren würde??
Natürlich gibt es im Keller keine weiteren Schränke und auch der PC-Lernraum ist überfüllt.
Gut. Letzte Möglichkeit: die „Caféteria“, ein Raum mit 4 Tischen 20 Stühlen drumherum und je einem Getränke- und einem Süßigkeitenautomaten. Da ist tatsächlich noch ein Platz, auf dem ich mich entlade, meinen PC starte und mich mit dem UB-Netzwerk verbinde. Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass sich eben jener von der Caféteria aus offenbar weigert, mich über das lokale Netzwerk hinaus zu verbinden. Es folgen einige Minuten der Mediation und Beruhigung, nach denen ich mich erneut zusammenpacke, unter den Arm klemme und die Suche nach einem Spint fortsetze.
Gerade erspähe ich aus dem Augenwinkel das Objekt der Begierde, droht auch schon eine Konkurrentin, mir meine Beute strittig zu machen. Aber das kann sie mal vergessen denn JETZT bin ich an der Reihe und überhole sie noch auf der Zielgeraden. Der Schrank steht am Ende einer in eine Nische gequetschten Schrankreihe in der Ecke und in rund 20cm Entfernung gegenüber einer Wand. Wäre ja alles nicht so schlimm, wenn die Tür nicht in die Falsche Richtung aufginge, sodass sie, einmal geöffnet, den Zugang zum Schrank selbst versperrt. Sollte es jetzt daran scheitern? Wäre doch gelacht, wenn ich meinen Rucksack nicht über die Tür ins Fach geworfen bekäme!
Jetzt kann ich in den Lesesaal gehen. Diesmal bestimmt! Und siehe da: der Typ am Eingang hat auch aufgehört zu meckern. Jetzt muss ich mir nur noch ein nettes Plätzchen suchen und dann kanns losgehen.
Ich glaube, ich brauche inzwischen nicht mehr zu erwähnen, dass auch das nicht reibungslos von statten gehen konnte. Natürlich war nirgends mehr Platz und ich musste mich schlussendlich zwischen Juristen und Soziologen in die hinterste Ecke der Bibliothek setzen um festzustellen, dass ich auch hier keinen Internetzugang habe…


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