Nord-Süd-Gefälle


05/2009

Dass ich nicht so ein großer Fan von Bergen bin (ausgenommen sie sind französisch und münden unmittelbar ins Meer), ist ja kein Geheimnis. Umso froher war ich, mich kürzlich endlich wieder auf den Weg gen Norden zum Kirchentag in Bremen machen zu können. Endlich mal wieder anständige Schiffe! Hier auf dem Neckar sieht man ja höchstens mal – wenn man Glück hat – so einen Flusskahn, der dann ein Paar Wellen ans Ufer schwappen lässt.
Auf meinem Weg durch Fahrrad-Fahren-Land genoss ich die Aussicht aus dem Zug auf die niedersächsische Landschaft, die mich, hätte da nicht jemand Bäume gepflanzt, sicherlich bis mindestens Kiel hätte schauen lassen.
Ähnlich ging es mir rund eine Woche später auf dem Weg nach Hamburg. Angefüllt mit einer gewissen inneren Freude, die diese Stadt auf mich ausübt, durchstreife ich also diesen schönen Hafen und lade mich mit hoffentlich ausreichend Seeluft bis zu meinem nächsten Besuch auf. Die verfliegt hier unten nämlich schnell wieder.
Die Cap San Diego, die noch auf dem Bremer Kirchentag als Ausstellungsort gedient hatte, war nach ihrem Ausflug nun – wie ich – wieder zu Hause in ihrem Heimathafen angekommen.
Dafür, dass die Jahresdurchschnittstemperatur hier in Heidelberg deutlich (satte 2°C) höher ist als in Braunschweig oder Hamburg, ist es doch irgendwie bezeichnend, dass ich meistens bei Schlechtem Wetter hier wegfahre und bei gutem im Norden ankomme, wohingegen ich mich auf meiner Rückfahrt spätestens ab Göttingen auf garantierten Niederschlag beinah verlassen kann.
Aber zurück nach Bremen: als ich nun in einer der vielen überfüllten Kirchentagsbahnen einem angeregten Gespräch zwischen zwei älteren Damen, die ganz offensichtlich aus dem Oldenburger Land stammten, lauschen durfte, schoss mir unverzüglich ein Bild durch den Kopf:
Angenommen wir befänden uns nicht in Bremen sondern, sagen wir, zwischen Mannheim und Heidelberg und ließen die zwei Damen statt ihres breiten plattdeutschen Dialekts einmal waschechtes Kurpfälzisch sprechen: Die Szene wäre ruiniert. Die beiden Damen verlören mit jedem weggelassenen N am Wortende und jedem SCH vor einem T scheinbar stetig an Intelligenz und Weltgewandtheit. Klingt doch jemand, der einen nordischen Dialekt spricht, grundsätzlich von sich, der Welt und vor allem dem, was er sagt, 100%ig überzeugt.
Woran liegt das? Ist es meine Hörgewohnheit oder vielleicht die Tatsache, das Pfälzisch ausgesprochene Aussagesätze – die Hebungen und Senkungen betrachtend – grundsätzlich wie Fragen klingen?
(Hierzu bitte ich bei Interesse den Wikipedia-Artikel „Kurpfälzisch“ zu konsultieren, da ich diese Aussprache beim besten Willen schriftlich nicht artgerecht wiederzugeben vermag… Tipp: einmal vorher ohne Bild anhören!! www.youtube.com/watch?v=zK9cj1Bchpw,)
Wer, so wie sicherlich einige von Euch und auch ich, den Großteil seiner Kindheit und Jugend quasi mitten unter Dialekt-Nazis verbracht hat, mit seinen Eltern Hamburg, Berlin, München und bestenfalls mal Bekannte in Sachsen besucht hat, wird verstehen, dass es mir lange schwerfiel, zu glauben, es gebe tatsächlich mehrere verschiedene(!) Dialekte in Süddeutschland. Ich weiß nicht genau wieso, aber auf der Buchhändlerschule in Seckbach, hatte ich festgestellt, musste ich mit solchen Vermutungen immer sehr vorsichtig sein. Liegt Franken denn etwa nicht in Bayern? Und Schwaben in Baden(!)-Württemberg? Irgendwie schienen meine Mitschüler da irgendwelche mir unergründlichen Probleme mit ihren Nachbarregionen zu haben.
Heute bin ich stolz darauf, immerhin Schweizer von Bayern und Schwaben von Pfälzern unterscheiden zu können, nech?
Und was in aller Welt heißt bitte „Gä?“?


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