Mal was Anderes.


04/2010

An dieser Stelle könnte ich mich – diesen Monat mehr denn je – natürlich wieder in Hülle und Fülle über die Skurrilitäten und Unannehmlichkeiten Heilbronns auslassen, in dem ich von Taubeneiern und –exkrementen auf meinem Balkon, Fußballspielern auf meinem(!) Basketballfeld („Geht’s noch? Was machst Du in meinem Spielfeld, du Arschkind?“ „Alder isch muss ne Ecke schießen vielleischt!?!“) und natürlich von hiesigen kleinkriminellen Arschkrampen, die einem sämtliches Eigentum klauen (oder zerlegen wenn’s festgeschraubt ist) sobald man sich umdreht, berichten. Das bringt aber nur schlechte Laune und ein mieses Karma, deshalb mach ich heute mal was Anderes: ich erzähle Euch von meiner letzten „Forschungsarbeit“. Da natürlich kein Normalsterblicher dieses Musikwissenschaftliche Fachblabla versteht, gibt’s eine aufbereitete und ein bisschen vorgewärmte Version dessen, was sich in meiner Arbeit auf rund 30 Seiten erstreckt.
Es geht um Opern. Die mag eigentlich keiner – zumindest ist immer das erste, was man hört, wenn heute irgendwo eine Opernsängerin am Werk ist „Warum schreit die denn so rum? Gib der doch mal was zu essen!“ Das interessante daran ist allerdings, das Opern aus zwei Teilen bestehen: einer Musik und einem Theaterstück. Und genau das habe ich untersucht. Ich habe mir zwei CDs genommen, die laut Cover beide das gleiche beinhalten sollten. Dass das meistens nicht der Fall ist, wenn es sich um verschiedene Interpreten handelt, sieht man oft genug in der Popmusik, wenn jemand ein altes Lied covert: das ist dann zwar noch das gleiche Lied, hört sich aber irgendwie ganz anders an. So ist es auch bei klassischer Musik. Zwar spielen hier die Musiker immer die gleichen Noten und man braucht sicherlich ein bisschen mehr Erfahrung um die Unterschiede rauszuhören, aber vorhanden sind sie dennoch.
In der klassischen Musik gibt es eine Entwicklung, die sich „Historische Aufführungspraxis“ nennt. Das heißt der Musiker schaut sich ganz genau die Bedingungen zur Zeit der Entstehung des Stücks an und obwohl er heute vielleicht eine technisch viel bessere Geige zur Verfügung hätte, benutzt er eine alte, möglichst original aus der Zeit, um einen Klang zu erzeugen, wie er damals auch geklungen haben mag. Ob das stimmt weiß natürlich keiner, dummerweise hat Mozart keine Aufnahmen von seinen Stücken machen können. Aber die Suche nach größtmöglicher Authentizität ist heute allgegenwärtig. Der Grundgedanke bei dieser Arbeit ist immer die Komponisten-intention, also was wollte der Komponist, das wir spielen? Das ist der wichtigste Unterscheid meiner beiden CDs: hat das Orchester versucht, so original wie möglich zu klingen oder hat es einfach so gespielt, wie es die Zu-schauer im 20. Jahrhundert gewöhnt sind?
Jetzt kommt das Bild dazu: ich habe eine Inszenierung aus den 70ern und eine von 2006 im Vergleich. Da findet selbst der Laie sofort Unterschiede: Brokatkleider gegen Leinenhosen, eine Illusionsbühne gegen einen einfarbigen Hintergrund und so weiter. Offensichtlich versucht der Regisseur hier nicht immer mehr dem Original zu entsprechen. Die große Frage ist jetzt: warum nicht? Warum gibt es in der Musik die Tendenz, alles so original wie möglich umzusetzen und bei der Inszenierung passiert genau das Gegenteil nämlich eine Übertragung des Geschehens in die heutige Zeit. Wenn man sich jetzt Mozarts Uraufführung von 1781 ansieht, stellt man fest, dass auch er seine Oper der Zeit angepasst hat: trotzdem dass dem Ganzen eine griechische Tragödie zugrunde liegt, tragen Mozarts Schauspieler Uniformen und Kleider aus dem 18. Jahrhundert, also etwas, woran sein Uraufführungsublikum gewöhnt war und nicht etwa griechische Gewänder. Wollte Mozart nun, dass wir es genauso machen wie er oder wollte er, dass wir unsere Produktion an die Zeit anpassen – genau wie er?
Darüber streiten sich Musiker und Wissenschaftler. Manche lassens einfach ganz bleiben und versuchen gar nicht erst, original zu klingen; wie Jacques Loussier zum Beispiel, der sich mit seinem Jazz-Trio auf Bach-Interpretationen spezialisiert hat.

Viel Spaß damit und bis bald!


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