Angekommen!


10/2013

Eigentlich wollte immer nach Hamburg. Jetzt bin ich da! Und es ist noch viel besser!

Vielleicht ein kurzer Abriss dessen, was zwischen Lübeck und heute so alles passiert ist.

Nach ein paar Wochen Überbrückungsphase mal wieder bei den Bökerhökern, bin ich seit Anfang des Jahres in der – für Kulturwissenschaftler – außergewöhnlichen und doch sehr erfreulichen Situation, mich in einem anständigen Arbeitsverhältnis auf der Grundlage ›Arbeit gegen Bezahlung‹ zu befinden und arbeite nun als Flohhüterin (Orchestermanagerin) bei der Hamburger Camerata.

Aus diesem Grund frönte ich das letzte halbe Jahr wieder meinem Lieblingshobby: Bahnfahren!
Fernpendeln – das ist noch viel lustiger als S-Bahn und Regionalzugfahren zwischen Heilbronn und Heidelberg; verstellbare Rückenlehnen, Teppichboden, keine Zwischenhalte sprich kein Rumgerenne, keine Durchsagen – alles sehr entspannt. Dazu kommt, dass auf solchen Strecken fast alle Mitfahrenden quasi hauptberuflich Zug fahren, das heißt es gibt kein Gezeter oder Gedrängel, jeder setzt sich da hin wo Platz ist, packt sein Buch aus oder unterhält sich leise mit einem Artgenossen.
Fernpendler sind ein bisschen wie Dauercamper. Wer sich augenscheinlich von der Gruppe abhebt und beispielsweise ein Gepäckstück größer als eine Aktentasche mit sich führt, ist Tourist und allerhöchstens eines Augenrollens würdig. ›Tourist‹ hat in diesem Fall nichts mit dem Wohnsitz, Reiseziel oder der sonstigen Intention der betreffenden Person zu tun und steht im Pendler-Jargon lediglich für ›Nicht-Pendler‹.
Wenn man eine ›reguläre‹ Bahnreise antritt und sich zu diesem Zweck auf den entsprechenden Bahnsteig begibt, empfiehlt es sich grundsätzlich, einen Platz auszuwählen, an dem die Menschentraube noch nicht so dicht ist um ggf. bei Einfahrt des Zuges schneller in denselben zu gelangen. Ganz anders verhält es sich bei Fernpendlern: Betritt man morgens den Bahnsteig, so wird ganz unmissverständlich sichtbar, dass sich an der Bahnsteigkante im Abstand von jeweils etwa zwanzig Metern kleine Menschenansammlungen gebildet haben, die nur sehr wenige ›Überläufer‹ aufweisen. Hier einen der freien Plätze zwischen diesen Grüppchen zu wählen wäre durchaus unklug, da der Fernpendler natürlich ganz genau weiß, wo seine Tür zum halten kommt. Stellt man sich also zwischen die Gruppen, wird man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mitten zwischen zwei Einstiegen landen.
Will man nun so einen Fernpendler ein wenig necken und irritieren, so bietet es sich an, einfach mal die Lok ans andere Ende des Zuges zu klemmen, sprich aus dem Zug einen ›Schub‹ zu machen oder anders herum. Sobald der allwissende Pendler den Zug nun einfahren sieht und feststellt, dass statt der Lok-Seite heute das ›Hinterteil‹ vorweg kommt, folgert er spitzfindig, dass wohl die Wagenreihung umgekehrt sein muss und trottet – einer vorweg, alle anderen wie die Lemminge in einer Horde hinterher – zum anderen Ende des Bahnsteigs um nicht an der Erste-Klasse-Seite einsteigen zu müssen. Bis nun alle merken, dass tatsächlich nur die Lok an einer anderen Stelle ist und ansonsten alles wie immer und sich der Haufen geschlossen in entgegengesetzter Richtung zu seinem Ausgangspunkt zurückbewegt, hat sich bereits ein amüsantes Schauspiel ereignet, das auf ganz beeindruckende Weise das Rudelverhalten des Menschen darbietet.
Bahn-Anekdoten sind unerschöpflich – und nun aber endlich vorbei. Inzwischen wohne ich nur noch ein paar Meter von der Arbeit entfernt, da lohnt es nicht mal, in die U-Bahn zu steigen.

Ich bin jetzt offiziell Hamburgerin! (inklusive Paternoster Fahren im Einwohnermeldeamt)
Daher vielleicht noch ein paar zusammenhanglose Worte über meine neue Heimat:

Hamburg hat – gefühlt – die mit Abstand größte Meldedichte für Smarts. Kein Wunder, wer bitte fährt auch im Hamburger Stadtgebiet freiwillig Auto! Also wenn schon, dann sicher so eine Kasperbude. Gerade jüngst habe ich gelesen, dass es in Hamburgs Westen Bestrebungen gibt, Parkplätze gegen Radwege einzutauschen. Großartig! Die Radwegsituation hier ist furchtbar! Keine andere Stadt in Deutschland würde es jemals fertig bringen, einen ganzen neuen Stadtteil ohne einen einzigen Radweg zu bauen!

Und noch etwas: Ihr alle da draußen, die immer behauptet habt, in Hamburg sei es schwierig, Anschluss zu finden, weil alle so kühl, reserviert, schroff und vor allem »Neuen« gegenüber wenig offen seien: Ihr habt alle gelogen!
Mit den besten Grüßen an die vielen tollen Leute hier, die einfach ihre Decke ausbreiten, ein Stück rutschen und einem das Astra reichen. Danke Euch für so einen großartigen Start in meiner neuen Stadt.

CHEERS!


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