Du kannst nicht entkommen!


02/2011

Seit letztem Juli ist eine Weile vergangen. Ein ganzes Semester und ein Jahreswechsel samt Zubehör. Viel Außergewöhnliches ist in dieser Zeit nicht geschehen. Durch einen reich gefüllten Stundenplan und zwei Nebenjobs konnte ich mich schon länger nicht mehr über Langeweile beklagen. Und auch jetzt, da die „Semesterferien“ wieder begonnen haben und ich zwei Seminararbeiten einzureichen habe, werde ich sicher weiterhin gut ausgelastet sein.
Mein Vorsatz für 2011: Genau den Kalender samt regionalen Feiertagen studieren um auf „Bibliotheksreisen“ keine böse Überraschungen zu erleben.
Heute, zur Feier des Tages und weil man das einmal im Jahr so machen sollte, haben wir ein lokales Fischrestaurant mit Tischdecken, Garderobe und norddeutschem Koch aufgesucht in der Absicht, einen schönen Abend zu verbringen und so der Heilbronner Alltags-Tristesse für ein paar Stunden zu entfliehen. Genannter Koch kam nun kurz nach unserem Erscheinen und Platz-Einnehmen persönlich an unseren Tisch und erzählte uns, was es den heute so alles gebe. Um es vorweg zu nehmen, das Essen, welches nicht Mittelpunkt dieser Darstellung sein soll, war vorzüglich, das Personal freundlich und kompetent, alles wirklich sehr schön und gelungen…
Ganz hinten links in der Ecke, gleichzeitig mit uns das Restaurant betretend, setzte sich ein Paar, offensichtlich in der Kennenlernphase, Gesprächsbrocken ließen Phrasen wie „Isst du eher Fleisch?“ und „Ich trinke nicht so gern trockenen Wein“ verlauten. Schon nach kurzer Zeit konnte der erfahrene seine-Umwelt-und-die-Menschen-Beobachter feststellen, dass es sich bei der Dame um eine jener Sorte handelte, die es im hiesigen Raum in ungewöhnlich großen Zahlen zu geben scheint. Eine Beschreibung ist für einen nicht-Sozio-Linguisten wie mich schwierig, da es sich vor Allem um Parameter wie Tonfall, Wortwahl und Syntax, aber auch Körpersprache und Gesprächsinhalt handelt. Das erste, was einem – zumindest mir – auffällt ist: boah, wie nervig! Man stelle sich eine junge Frau Mitte / Ende Dreißig vor, auf die Ellenbogen gestützt, vorgelehnt und mit hochgezogenen Augenbrauen. So redet sie nun mit stark auf und ab schwankender Sprachmelodie, stets in einem leicht entsetzten oder aufgebrachten Ton, Leitartikel-Überschriften zitierend auf ihren wehrlosen Gegenüber ein und versucht ihn damit von der Unsäglichkeit der Dinge zu überzeugen. Dabei verurteilt sie ob ihrer eigenen Gewöhnlichkeit alles Ungewöhnliche, weil es ihr ihre eigene Gewöhnlichkeit so sehr vor Augen führt, dass sie es nicht ertragen kann.
Sicher kennen viele diese Sorte Menschen, meist Frauen, bei denen man sich – je nach Intensität – auch mal dabei ertappt, wie man gerade in Gedanken jemanden kopfüber in die Kloschüssel steckt und spült. Gemessen an der Zahl solcher Persönlichkeiten hier in Schwaben, sind dies jedoch scheinbar ganz typisch schwäbische Eigenschaften, die da in Form von Charakter und Verhalten der Damen auf ganz unerträgliche Weise ans Tageslicht befördert werden.
Es gibt kein Entrinnen. Nichtmal in norddeutschen Fischrestaurants.
In solchen Situationen tauchen wie von Zauberhand gern Zeilen aus Wise Guys Liedern in meinem Kopf auf. So auch heute. (Ich wollte noch ein bisschen mit dem Versmaß klugscheißen, hat aber nicht geklappt):

„Du bist eine strapaziöse
Nervensäge und total gewöhnlich,
ich meine das nicht böse,
aber: bitte, nimm’s persönlich!“


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