Merkwürdigkeiten


12/2009

Die haben den Brunnen ausgemacht. Und die Kaufhof-Reklame leuchtet jetzt die ganze Nacht durch. Den Kids, die sonst vor dem Haus rumgelungert haben, isses wohl inzwischen auch zu kalt geworden. Wie soll denn da ein gesunder Biorhythmus entstehen – so ganz ohne Eckpunkte?!
Ich wohne jetzt inzwischen wohl lange genug hier um heute einmal von ein paar Heilbronner Merkwürdigkeiten zu berichten. Beginnen wir mit der vermutlich berühmtesten Sehenswürdigkeit Heilbronns. Nein, nicht die Weinberge und auch nicht das moderne Wollhaus, was in den Siebzigern wohl tatsächlich eine Attraktion war, die in der ganzen Region Wochenendausflüge nach Heilbronn auslöste. An dieser Stelle noch ein kurzes Zitat aus dem deutschen Wikipedia-Eintrag zum Heilbronner Wollhaus: „Das Wollhauszentrum mit seinem markanten zehnstöckigen Büroturm und dem flacheren, asymmetrischen Kaufhaustrakt wurde im Stil des Brutalismus erbaut.“ Ganz offensichtlich.
Nein, die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit ist unser Heilbronner Neckarpenis. Ja. Ein Penis. Wo er herkommt weiß man nicht und auch nicht, was er da soll. Eine rund 7m lange Holzskulptur in Form eines Penis. Ich meine – Hä?
Nun gut. Weiter im Text. Unweit des Neckarpenis‘ wird der Neckar überspannt von einer Brücke. Nichts Besonderes, mag man meinen. Aus irgendeinem mir noch nicht klaren Grund zieren jedoch diese Brücke unser Reichsadler sowie bedeutungsschwangere Jahreszahlen zwischen 1930 und 1950. Lasst mich wissen, wenn jemand eine Ahnung hat, was uns der Dichter damit sagen möchte.
Wenn man sich im Sommer in Bahnhofsnähe aufhält sieht und hört man sie schon von Weitem: Die Taxifahrer. Das ist nun wirklich ein amüsanter Anblick. Direkt am Taxistand schlagen die hiesigen Taxifahrer jeden Sommer ihr Camp auf. Eine Bierzeltgarnitur und einen Sonnenschirm, mehr braucht es offenbar nicht um sich jeden Tag und jede Nacht die Zeit zu vertreiben mit Spielen und Geselligkeit. Dass sie sich jetzt nicht einfach einen Heizpilz dahin gestellt haben enttäuscht mich ein bisschen.
Was meine Person betrifft: ich stehe jetzt wieder in der Buchhandlung (bei DENEN!) und schaffe „Magic Moments“ mit den Kunden (Das steht so in der Arbeitsanweisung!). Nur das mit dem Flitterregen krieg ich noch nicht so ganz hin.
Weihnachten hat vor einer Weile angefangen und nun muss ich mich nicht mehr nur jeden Tag durch Glühwein-Bratwurst-Gemenge schieben, um zur Uni oder zur Arbeit zu kommen – nein – ich wohne sogar mitten drin! Aber Leute, ganz ehrlich: DAS soll ein Weihnachtsmarkt sein? Ihr wart wohl noch nie in Braunschweig!



Die Sache mit den Uhren


08/2009

Ich bin schonwieder umgezogen. Ja, langsam bekomme ich Übung und meine Möbel immer mehr Kratzer und Kanten. Trotzdem kamen mir die Semesterferien gerade recht um mich in Ruhe in meinem neuen Heim einzurichten.
Ich wohne in Heilbronn. Das klingt jetzt im Vergleich zu „Ich wohne in Heidelberg“ vielleicht ein bisschen bemitleidenswert, aber im Vergleich zu „Ich wohne in Plankstadt“ (ich erinnere: das entsprach durchaus der Wahrheit!) kann es sich eigentlich nur um einen sozialen Aufstieg handeln, denn nach Plankstadt kommt nicht mehr viel. Nordwest Brandenburg vielleicht.
Jetzt wohne ich dritten Stock, mit einem Balkon und einem Haufen Fenster, mitten in der Stadt. In jeweils 2 Minuten bin ich am Bahnhof, bei der Arbeit und im Freibad und 100m von hier ist das Neckarufer und ganz viele kleine Enten!
Nun, die hier in Heilbronn vertretene Klientel ähnelt der Heidelberger in sehr wenigen Punkten. Trifft man in der Heidelberger Fußgängerzone hauptsächlich auf Akademiker, Studenten oder reiche Japaner und Amerikaner, begegnet man hier vermehrt Familien und jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund. Den haben sie jedoch zumeist lange hinter sich gelassen und sich ganz der deutschen Kultur und Mode angepasst. Leider scheinen sie dazu schon lange nicht mehr in den Kalender geschaut zu haben um festzustellen, dass wir NICHT mehr die Achtziger Jahre schreiben und VoKuHiLas eigentlich auch schon eine Weile lang nicht mehr modern sind.
Aber jeder hat ja seine Funktion in der Gesellschaft. So auch unsere Mitheilbronner, denn: in Heilbronn braucht man dank ihnen keine Uhr! Zumindest nicht im Sommer.
Wenn man ein wenig aufmerksam durch den Tag geht, kann man anhand der Dinge, die in seinem unmittelbaren Umfeld geschehen, zweifelsfrei die Uhrzeit ablesen. Einigen davon entkommt man so oder so nicht und wenn man sich noch so sehr anstrengt.
Beginnen wir abends. Man sitzt gemütlich beim Abendessen auf dem Balkon, auf den die untergehende Abendsonne scheint und bemerkt, wie es langsam in der Innenstadt ruhiger wird. Schon das gibt zu verstehen, dass es 20 Uhr, vielleicht 20 Uhr 15 sein muss. Man hört, wie Geschäfte ihre Eingangstüren schließen und sieht, wie sie das Licht löschen. Der Brunnen auf dem Platz unter uns plätschert leise vor sich hin. Plötzlich: Stille. Der Brunnen ist ausgegangen: es ist 21 Uhr!
Nun, es wird auch langsam frisch und wir gehen rein, setzen uns aufs Sofa, lesen oder sehen uns einen Film an. Von gegenüber leuchtet die Kaufhof-Reklame ins Wohnzimmer, das schafft eine nette indirekte Beleuchtung. Plötzlich: dunkel! Aber halt: nicht etwa in die Falle tappen, denn das Kaufhofpersonal hier am Ort scheint mir ein wenig inkonsequent. Nun kann es entweder 21 Uhr 30 oder aber auch 22 Uhr sein. Die Frage wird sich aber schnell klären, denn sobald man sich auf den Weg ins Bett macht wird man feststellen, dass es plötzlich von draußen her ruhiger wird. Der Grund: die kleinen Geschwister der VoKuHiLa tragenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlassen um 22 Uhr 30 mit ihren Muttis den Innenstadtspielplatz, gehen nach Hause und werden Um 23 Uhr von den Lans (von Ulanen, vom türkischen Wort „oğlan“ = junger Mann) abgelöst. Die setzten sich auf die Bänke am Spielplatz und spielen sich gegenseitig ihre neusten Klingeltöne vor und Mensch was haben die tolle Klingeltöne!
Von 0 bis 1 Uhr ziehen die vorgeglühten Discogänger sowie die Junggesellinnenabschiedsfeiern quietschende rosa Haufen in Scharen unterm Fenster vorbei, leicht oder starkt angetrunken, je nach Glut. Zwischen 2 Uhr 30 und 3 Uhr gehen die RICHTIG Betrunkenen nach Hause, die aus den Kneipen geflogen sind, als sie zugemacht haben.
Jetzt kann der Heilbronner in Ruhe schlafen, denn er weiß, dass alle heil nach Hause gekommen sind und alles ist wie immer.
Um 6 Uhr 30 beginnt der Tag – man braucht noch nichtmal einen Wecker! – mit der Reinigung der Fußgängerzone von Liegengebliebenem und Liegengebliebenen. Ordnung muss sein.
Die Fußgängerzone ist lang und wird eben dieser Länge nach mit dem Alba-Supermobil mit Kerosinantrieb grundgereinigt. Mein Schlafzimmer befindet sich am Ende und somit bekommt man auch die Snooze-Funktion gleich gratis dazu. Ab 6 Uhr 30 wendet Alba-Man alle halbe Stunde direkt unterm Fenster. Bis um 8 alles blitzsauber ist.
Dann muss das Alba-Mobil Platz machen für die LKWs, die Essen, Kleider und Mikrowellen zu den Geschäften bringen. Die LKW-Fahrer müssen dazu rückwärts (akustisches Rückwärtsfahren-Signal) an die Laderampen fahren und bei laufendem Motor ihre Hebebühnen anpassen und entladen. Das muss alles sehr schnell gehen, denn um 9.30 kommen die Heilbronner zur wilden Preisschlacht in meine Wohnung…



Nord-Süd-Gefälle


05/2009

Dass ich nicht so ein großer Fan von Bergen bin (ausgenommen sie sind französisch und münden unmittelbar ins Meer), ist ja kein Geheimnis. Umso froher war ich, mich kürzlich endlich wieder auf den Weg gen Norden zum Kirchentag in Bremen machen zu können. Endlich mal wieder anständige Schiffe! Hier auf dem Neckar sieht man ja höchstens mal – wenn man Glück hat – so einen Flusskahn, der dann ein Paar Wellen ans Ufer schwappen lässt.
Auf meinem Weg durch Fahrrad-Fahren-Land genoss ich die Aussicht aus dem Zug auf die niedersächsische Landschaft, die mich, hätte da nicht jemand Bäume gepflanzt, sicherlich bis mindestens Kiel hätte schauen lassen.
Ähnlich ging es mir rund eine Woche später auf dem Weg nach Hamburg. Angefüllt mit einer gewissen inneren Freude, die diese Stadt auf mich ausübt, durchstreife ich also diesen schönen Hafen und lade mich mit hoffentlich ausreichend Seeluft bis zu meinem nächsten Besuch auf. Die verfliegt hier unten nämlich schnell wieder.
Die Cap San Diego, die noch auf dem Bremer Kirchentag als Ausstellungsort gedient hatte, war nach ihrem Ausflug nun – wie ich – wieder zu Hause in ihrem Heimathafen angekommen.
Dafür, dass die Jahresdurchschnittstemperatur hier in Heidelberg deutlich (satte 2°C) höher ist als in Braunschweig oder Hamburg, ist es doch irgendwie bezeichnend, dass ich meistens bei Schlechtem Wetter hier wegfahre und bei gutem im Norden ankomme, wohingegen ich mich auf meiner Rückfahrt spätestens ab Göttingen auf garantierten Niederschlag beinah verlassen kann.
Aber zurück nach Bremen: als ich nun in einer der vielen überfüllten Kirchentagsbahnen einem angeregten Gespräch zwischen zwei älteren Damen, die ganz offensichtlich aus dem Oldenburger Land stammten, lauschen durfte, schoss mir unverzüglich ein Bild durch den Kopf:
Angenommen wir befänden uns nicht in Bremen sondern, sagen wir, zwischen Mannheim und Heidelberg und ließen die zwei Damen statt ihres breiten plattdeutschen Dialekts einmal waschechtes Kurpfälzisch sprechen: Die Szene wäre ruiniert. Die beiden Damen verlören mit jedem weggelassenen N am Wortende und jedem SCH vor einem T scheinbar stetig an Intelligenz und Weltgewandtheit. Klingt doch jemand, der einen nordischen Dialekt spricht, grundsätzlich von sich, der Welt und vor allem dem, was er sagt, 100%ig überzeugt.
Woran liegt das? Ist es meine Hörgewohnheit oder vielleicht die Tatsache, das Pfälzisch ausgesprochene Aussagesätze – die Hebungen und Senkungen betrachtend – grundsätzlich wie Fragen klingen?
(Hierzu bitte ich bei Interesse den Wikipedia-Artikel „Kurpfälzisch“ zu konsultieren, da ich diese Aussprache beim besten Willen schriftlich nicht artgerecht wiederzugeben vermag… Tipp: einmal vorher ohne Bild anhören!! www.youtube.com/watch?v=zK9cj1Bchpw,)
Wer, so wie sicherlich einige von Euch und auch ich, den Großteil seiner Kindheit und Jugend quasi mitten unter Dialekt-Nazis verbracht hat, mit seinen Eltern Hamburg, Berlin, München und bestenfalls mal Bekannte in Sachsen besucht hat, wird verstehen, dass es mir lange schwerfiel, zu glauben, es gebe tatsächlich mehrere verschiedene(!) Dialekte in Süddeutschland. Ich weiß nicht genau wieso, aber auf der Buchhändlerschule in Seckbach, hatte ich festgestellt, musste ich mit solchen Vermutungen immer sehr vorsichtig sein. Liegt Franken denn etwa nicht in Bayern? Und Schwaben in Baden(!)-Württemberg? Irgendwie schienen meine Mitschüler da irgendwelche mir unergründlichen Probleme mit ihren Nachbarregionen zu haben.
Heute bin ich stolz darauf, immerhin Schweizer von Bayern und Schwaben von Pfälzern unterscheiden zu können, nech?
Und was in aller Welt heißt bitte „Gä?“?



Abbreviationen


05/2009

Deutscher wie fremdländischer Öffentlicher Personennahverkehr (im Folgenden ÖPNV) vermag ja bekanntermaßen ganze Kolumnensammlungen zu füllen. Wie schon mit dem Aufenthalt in der Bibliothek möchte ich mich auch hier einer Tradition anschließen.
Jüngst habe ich mir erzählen lassen, dass man, um Nahverkehrskontrolleur in NRW zu werden, eine Art Fahrkartenbibel (hier lediglich Gemeinsamkeiten dessen Umfang betreffend) auswendig lernen muss, um zu wissen welcher Schüler mit welcher Fahrkarte aus welchem Tarifgebiet an welchem Tag denn jetzt sein Fahrrad und welcher Abonnent am Wochenende seine Familie kostenlos mitnehmen darf. Das ist aber nicht mein Problem denn weder bin ich Kontrolletti, noch wohne ich in NRW.
Ich wohne nämlich in Baden-Württemberg. Was es kein Stück besser macht. Denn hier herrscht der VRN = Verkehrsverbund Rhein-Neckar. Dieser erstreckt sich von Wissemburg in Frankreich bis nach Würzburg in Bayern. Nach Norden und Süden ist dessen Expansion eher weniger relevant. Dieses gesamte Gebiet wird z.B. durch das hiesige Semesterticket abgedeckt, das sich seit geraumer Zeit in meinem Besitz befindet.
Hier in Heidelberg haben sich diese spitzfindigen Schelme offenbar gedacht: „Machen wir uns doch mal einen Spaß und vertauschen die Buchstaben“. Gesagt, getan. Als ich eines Tages also am Heidelberger Bahnhof nach einem VRN-Plan fragte, schaute mich die Dame ein wenig verwirrt an und fragte dann, ob ich denn den rnv-Netzplan meinte. Will die mich verarschen? Nein tatsächlich: um von meiner Haustür bis in die Stadt zu gelangen, muss ich als Erstes einen Bus nehmen, der dem BRN = Busverkehr Rhein-Neckar angehört, ein DB-Unternehmen, in dem man daher als Bahncard100-Besitzer umsonst fahren kann. Dann muss ich in eine Bahn des Heidelberger rnv steigen (der Bahncard100-Besitzer kauft sich JETZT eine Fahrkarte) und das Ganze befindet sich nun im Netz des VRN…
Alle Klarheiten beseitigt? Gut. Der Bus fährt so ab, dass die Bahn genau erreicht wird. Klappt in ungefähr 50% der Fälle. Die ersten 3 Haltestellen der Bahn liegen an einer einspurigen Strecke. Das heißt: die Bahn fährt ab ob der Bus da ist oder nicht, ob es hagelt oder stürmt. Täte sie das nicht, so könnte die vermutlich schon wartende Bahn aus der Gegenrichtung nicht pünktlich einfahren, verursachte eine Verspätung der darauffolgenden und so weiter und so fort.
Bus hält also an, alle Leute raus: Bahn fährt los. Großes Geschrei. In der nächsten Bahn, die schon in den Bahnhof eingefahren war, nehme ich auf einem der Vierersitze Platz und warte. Und ahne Schlimmes: neben mir setzt sich eine Dame mit – wenig gekämmtem Haar, zwei vollen Plastiktüten und einem scheinbar unstillbaren Mitteilungsbedürfnis. Der Rest ist vorprogrammiert. Es dauert geschlagene 9 Minuten, bis ich sie in mein Buch starrend beleidigtgeschwiegen habe und sie wieder aussteigt. Später erzählen mir meine „Mitfahrer“, dass sie sich von draußen hinter mich gestellt und durch die Scheibe mein Buch mitzulesen versucht hat. Nun denn, Erleichterung nähert sich mir an als die Bahn losfährt, bleibt aber dann vorsichtshalber noch eine Weile weg als sich an der nächsten Haltestelle eine Familie mit 3 Kindern um mich herum drapiert. Nach 3 Minuten permanentem Schienbein-Treting durch weibliche 4-Jährige, mussten – so dachte ich – doch auch die Eltern meine mit Mordlust gefüllten Blicke bemerkt haben. Mein iPod geht nicht lauter zu drehen. Ich verstehe den Sänger nicht mehr, denn weibliche Minderjährige schlägt sich schreiend mit engem Verwandten (vermutlich Altersgenosse) um Süßigkeit. 10 Minuten lang…am Stück.
Die Eltern – weiterhin unwillig etwas zu unternehmen außer sich über den morgigen Lebensmitteleinkauf auszutauschen – klemmen sich nach gefühlten 3 Stunden Malträtieren ihre Terroristen unter den Arm und steigen aus. Ich bereite mich derweil mental auf die nächste Katastrophe vor, die natürlich auch nicht lange auf sich warten lässt: hab ich etwas überhört wegen meiner Lautsprecher im Ohr oder hat sich mein Straßenbahnfahrer verfahren?? Die fragenden Gesichter meiner Mitfahrgäste lassen vermuten, dass auch sie informationslos geblieben sind und durchaus gern wüssten, warum die Bahn JETZT, HIER abbiegt.
Es folgt: keine Erklärung. Nur: Alle aussteigen! Alle raus – da steht ein Bus (ein BUS! Und zwar einer ohne Zieharmonika!) Alle rein. Ziemlich eng da.
Nicht, dass mein Weg in die Stadt mit der Bahnfahrt enden würde, nicht doch. Für gewöhnlich – laut Fahrplan – schließt sich an die Bahnankunft in der Innenstadt eine direkte Busverbindung in die Altstadt an. Dieser besagte Bus verlässt natürlich unmittelbar seine Haltestelle als wir uns dieser nähern. Mehr Geschrei. Aber, weil die Heidelberger ja so gewieft sind, steht auch hier schon ein Ersatzbus bereit – an der falschen Haltestelle, ohne Aufschrift, aber – who cares?! DER bringt mich nun mit rund 20 Minuten Verspätung an mein Ziel.
Natürlich brauch ich mich jetzt auch nicht mehr beeilen, denn ob ich 20 oder 25 Minuten zu spät bin schert nun wirklich niemanden. Also gehe ich gemäßigten Schrittes auf den Eingang zu und erkenne mit jedem Schritt deutlicher die Zeilenauf dem Zettel an der Eingangstür: „Die Veranstaltung von Frau Hungensiel (9h-11h Hörsaal) fällt heute wegen Krankheit aus. Das Sekretariat“



Survival


02/2009

Jetzt ist es soweit, ich bin jetzt ganz offiziell Student. Das sind die, über die man sich als arbeitender Mensch immer lustig macht. Oder ärgert.
Was mach so ein richtiger Student? Ich habe gehört, die sollen tagsüber in Bibliotheken rumsitzen und nachts feiern. Das mit dem Feiern gestaltet sich dank meiner geographischen Lage zur Zeit etwas schwierig, also dachte ich mir, um mich in das allgemeine Bild einzufügen, gehe ich in die Bibliothek. Heute, so habe ich beobachtet, muss man zum Arbeiten seinen Laptop mit dahin nehmen.
Ich schnappe mir also meine sieben Sachen und ziehe los. Im Erdgeschoss der Heidelberger Uni-Bibliothek (im Folgenden UB genannt) sind Schließfächer. Da schmeiß ich den Rucksack und die Jacke rein und mit dem PC, ein paar Büchern und Schreibzeug mache ich mich auf den Weg zum Lesesaal am anderen Ende des Gebäudes im zweiten Stock (Heidelberg = alte Uni = alte UB = enge Wendeltreppen…)
Am Eingang zum Lesesaal werde ich forsch von einem Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass ich die Neopren-Schutzhülle um meinen Computer nicht mit reinnehmen dürfe und nein, ich könne sie nicht hier am Aufpassertresen lassen. Draußen vor dem Lesesaal seien Schließfächer. Na klar, weil ich JETZT auch noch eine 2€-Münze für den Schrank dabei habe…
Ich laufe also vom zweiten Stock wieder ins Erdgeschoss (wir erinnern uns an die 2 Stockwerke und das andere Ende des Gebäudes) und nehme diesmal gleich den gesamten Fachinhalt mit nach oben um ihn dort wegzusperren.
Wieder oben angekommen mache ich mich daran, alles wie vorgeschrieben zu verstauen, was einfacher klingt, als es tatsächlich ist, wenn alle Fächer am Lesesaal (im Übrigen die einzigen im 2. Stock) vollständig belegt sind. Nun steh ich da mit meinem Haufen Krempel auf und an mir und überlege mir meinen nächsten Schachzug.
Da nach drei Malen zwei Stockwerke durch eine schmale Wendeltreppe Überwinden die Gehirnfunktion schon leicht beeinträchtigt scheint, komme ich zu dem weniger cleveren Schluss, wieder runter zu gehen und doch wieder alles im Erdgeschoss zu lassen. Blöd nur, dass inzwischen auch da alle Schränke voll sind. Ich glaube mich zu erinnern, dass im Keller noch welche seien. Und wenn nicht, dann ist da aber der große PC-Arbeitsraum, in dem man sich einfach mit allem seinem Kram installieren und arbeiten kann. Aber ganz ehrlich: hatte jetzt irgendjemand geglaubt, dass eine der beiden Möglichkeiten funktionieren würde??
Natürlich gibt es im Keller keine weiteren Schränke und auch der PC-Lernraum ist überfüllt.
Gut. Letzte Möglichkeit: die „Caféteria“, ein Raum mit 4 Tischen 20 Stühlen drumherum und je einem Getränke- und einem Süßigkeitenautomaten. Da ist tatsächlich noch ein Platz, auf dem ich mich entlade, meinen PC starte und mich mit dem UB-Netzwerk verbinde. Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass sich eben jener von der Caféteria aus offenbar weigert, mich über das lokale Netzwerk hinaus zu verbinden. Es folgen einige Minuten der Mediation und Beruhigung, nach denen ich mich erneut zusammenpacke, unter den Arm klemme und die Suche nach einem Spint fortsetze.
Gerade erspähe ich aus dem Augenwinkel das Objekt der Begierde, droht auch schon eine Konkurrentin, mir meine Beute strittig zu machen. Aber das kann sie mal vergessen denn JETZT bin ich an der Reihe und überhole sie noch auf der Zielgeraden. Der Schrank steht am Ende einer in eine Nische gequetschten Schrankreihe in der Ecke und in rund 20cm Entfernung gegenüber einer Wand. Wäre ja alles nicht so schlimm, wenn die Tür nicht in die Falsche Richtung aufginge, sodass sie, einmal geöffnet, den Zugang zum Schrank selbst versperrt. Sollte es jetzt daran scheitern? Wäre doch gelacht, wenn ich meinen Rucksack nicht über die Tür ins Fach geworfen bekäme!
Jetzt kann ich in den Lesesaal gehen. Diesmal bestimmt! Und siehe da: der Typ am Eingang hat auch aufgehört zu meckern. Jetzt muss ich mir nur noch ein nettes Plätzchen suchen und dann kanns losgehen.
Ich glaube, ich brauche inzwischen nicht mehr zu erwähnen, dass auch das nicht reibungslos von statten gehen konnte. Natürlich war nirgends mehr Platz und ich musste mich schlussendlich zwischen Juristen und Soziologen in die hinterste Ecke der Bibliothek setzen um festzustellen, dass ich auch hier keinen Internetzugang habe…



Au revoir et bon courage!


10/2008

Es ist wieder eine Weile her und während man sich hie und da vermutlich einen Feuchten schert, was sie da die ganze Zeit mit den Ch’tis und Asterixen macht und warum, kommen ande-renorts zeitweise Klagen zwecks nicht ausreichender Informations-Diarrhoe.
Hier also die neunte und vorerst letzte Folge der ersten Staffel von „Aaah! Sie sprechen französisch! ALLE!!!“. Wer weiß, ob es eine zweite geben wird.
Schön, dass Ihr meine doch bisweilen sinnfreien Ausführungen bis zum bitteren Ende verfolgt habt. Zur Belohnung für Ihre Treue und als Abschiedsgeschenk gibt es heute im Profil 2 zum Preis von 1, quasi eine Doppelfolge in Spiel-filmlänge.

Es ist ziemlich cool, Mitte Oktober im Atlantik (Whuou! Wellen!) zu baden. Denn das ist, was man hier am Wochenende einfach mal macht. „Es ist schön draußen! Lass uns ans Meer fahren!“ Et allez hop – on y va!
Ich habe jetzt 2 Wochen lang in der Buchhandlung „Oscar Hibou“ (das heißt Eule…) gearbeitet. Es ist interessant zu sehen, wie eine solche kleine Buchhandlung funktioniert – oder eben nicht: die Buchhandlung kämpf – wie leider so viele kleine unabhängige Buchhandlungen – mit der Insolvenz. Umso angespannter ist das Personal. Das trübt ein wenig die Stimmung, zeigt aber, dass es offensichtlich überall gleich ist. Nichts desto trotz ist es ein nettes und lustiges Team mit einer unglaublichen Kompetenz und einem solch fundierten Wissen, um das es wirklich schade wäre, wenn die Buchhandlung schließen müsste.

Voilà: die letzte Woche unter Franzosen ist angebrochen. Das ist wirklich traurig, denn wer weiß, ob ich eine solche Gelegenheit jemals wieder bekommen werde. Es ist also vermutlich an der Zeit, aus den vergangenen 4 Monaten ein Résumé zu ziehen.
Die Möglichkeit, an der Côte d’Azur Sprachstudien zu absolvie-ren in der Form, wie ich es machen konnte, ist vermutlich eine der besten, um eine Sprache schnell und effektiv zu lernen. Die Arbeit an der Réception zusammen mit sowohl Sprachschülern von überall her als auch mit Franzosen selbst in der Kombination mit den kommunikations- und vokabularorientierten Unterrichtsstunden hätte kaum besser als Vorbereitung und Weiterbildung dienen können.
Abgesehen von der Sprache gewöhnt man sich schonmal ein wenig an die etwas andere Arbeits- und Lebensweise und ist auf Einiges vorbereitet.
Das war also ziemlich gut!
Nun kommt man in Bordeaux an und findet plötzlich einen „Patron“ vor, der grundsätzlich 10-15 Minuten vor Termin anwesend ist. Doch ein bisschen anders, als mit dem Italiener, dessen Arbeitsanfangszeiten sich doch eher flexibel gestalteten.
Die Arbeit im Zwischenhandel die ersten paar Tage half sehr, sich einen Überblick über die französische Verlagslandschaft zu verschaffen.
Die Unterbringung in einem Studentenwohnheim gibt mir nun hier die Gelegenheit, „richtige“ Franzosen (im Gegensatz zu vorher Sprachschlern) kennenzulernen und etwas Zeit mit eben jenen zu verbringen. Letzteres führt dazu, dass sich mein Sprachwortschatz in den letzten 2-3 Wochen erheblich um diverse Schimpfworte und umgangssprachliche Ausdrücke erweitert hat.
Ich hoffe, ich werde all das, und vor allem die Sprache, etwas länger bewahren können, als die Vielen, die Französisch irgendwann mal in der Schule für 4 oder 6 Jahre gelernt und heute alles wieder vergessen haben.
On verra…



Oscar Hibou


09/2008

Es hat Wolken am Himmel. Nach nunmehr zwei Wochen blauem Himmel und Sonnenschein wird es anscheinend auch hier langsam Herbst.
Um nicht die ganze Zeit mit meinen beiden deutschen Kollegen deutsch sprechen zu müssen und um mir auch ab und zu mal etwas Warmes zu Essen zubereiten zu können, habe ich mich inzwischen mit meinen Nachbarn – Geologen – gutgestellt, die mich regelmäßig bespaßen und – natürlich viel wichtiger – bekochen!
Da ist es doch gar nicht so unpraktisch, dass einer von denen auch ein Auto hat, mit dem wir uns dieses Wochenende an den Strand „deplaziert“ haben. Und: ja, Ende September im Atlantik Baden ist echt super!!
Es ist wirklich sehr schön hier. Eine hübsche Stadt und ein Haufen Studenten.
Vom Studentenwohnheim aus fährt alle 3-5 Minuten eine Tram die 25 Minuten in die Innenstadt. Auf eben jene Tram sind die Bordelaiser, jetzt, wo sie nach empfundenen 25 Jahren Bauzeit fertiggestellt ist, uuunglaublich stolz. In der Stadt gibt es keine Oberleitung, was das ganze gleich mal viel hübscher, aber auch störungsanfälliger macht. Das ist bis dahin auch ganz nett und weiter kein Problem. Will man jedoch zwischen 16 und 19.30 wieder aus der Stadt raus, muss man beizeiten auch mal 2-3 Bahnen abwarten, bis eine kommt, wo man noch reinpasst. Man stelle sich also vor, wie das gewesen sein muss, als das Tramnetz noch mit Bussen bedient wurde. Oder aber was passiert, wenn die APS (Alimentation par Sol = Versorgung durch den Boden) zur Hauptverkehrszeit ausfällt…
Ich habe 1 ½ Wochen in einem kleinen Zwischenhändler in der Nähe von Bordeaux ausgeholfen (kommissioniert…) und diese Woche angefangen in einer kleinen Buchhandlung, spezialisiert auf Kinder-/Jugendbücher und BDs (=Bandes dessinées), ein Genre, das es in der Form in Deutschland gar nicht gibt, hier in Frankreich aber einen großen Marktanteil innehat, zu arbeiten. Am Wochenende wird es hier eine kleine Buchmesse geben, auf der ich mitwirken werde. Bin gespannt!



Zeitzonen


09/2008

Das ganze hat am 12.9. um 7h in Niagara Falls, Ontario angefangen. Von dort aus mit dem Auto nach Toronto. Warten, 12h – 16h. Check in, Boarding et tout ca, Abflug 18h30 EDT. Schafen im Flugzeug? Schonmal versucht, um halb sieben schlafen zu gehen? Und dann noch im sitzen? Ich glaube nicht. 14.9., 6h GMT (1h EDT) Ankunft in Londinium. Raus, Kontrollen wieder rein, warten. 10h40 Abfahrt nach FFM. 13h20 MESZ (7h20 EDT) Ankunft. 15h Zug nach Köln. Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Strecke: 150km/h…
16.45 Ankunft Köln. Bahnfahrt, Unterkunftsuche, Einkaufen, alles fertig machen, Dinge erledigen.
Wir schreiben den 13.9.08, 22h (16h EDT). Ich gehe schlafen.
Wer mitgezählt hat, ist vielleicht, wie ich, auf 33h gekommen, vielleicht auch nicht, das ist mir nämlich zu kompliziert.
Köln, 14.9.08, 4h: ich stehe auf, gehe zur Bahn, die mich zum Flughafen fährt…
Wer auch diesmal mitgezählt hat, kommt auf 6 Stunden. Im Grunde kein Problem, wären da nicht die 33 vorhergegangenen…

Der Kölner Flughafen ist um 5.30 morgens eigentlich ganz nett. Man wird zumindest nicht dauernd umgerannt. Mein Flug steht auch als pünktlich angeschlagen, alles gut. Gegen 6.15h, 10 Minuten vor planmäßiger Abfahrt, Boarding completed, alle lesen sich schonmal die Karte mit den Sicherheitsvorkehrungen durch, kommt eine Durchsage vom Chef höchstpersönlich, dass wir alle das Flugzeug doch bitte nocheinmal verlassen mögen. Irgendwas is kaputt und es dauert 45 Minuten, das wieder heile zu machen. Fein. Alle raus – alle wieder rein – und ab geht’s.

Ich werde in Bordeaux wie abgesprochen vom Flughafen abgeholt und – da die Uni sonntags zu hat – erstmal ans Meer auf diese unglaublich riesige Düne gefahren. Sehr beeindruckend.
Montag: Ich ziehe um – wow, das kann ich jetzt schon! Ein Studentenwohnheim! Nunja, kein Kühlschrank, eine Dusche und zwei Toiletten pro Flur (ich denke 20 Zimmer), eine „Küche“ (großer Raum mit 4 Herdplatten, kein Geschirr, auch kein Kühlschrank), keine Bettwäsche. Fein. Man fährt also in die Stadt und kauft erstmal ein…

À la prochaine!



Je me souviens


30. August 2008

Braunschweig, 30. August 2008, 19:50h: Abfahrt. 31. August 2008, 2:30h: Ankunft in Frankfurt am Main Flughafen (S-Bahnhof).
Wir sind die Nacht durchgeflogen, in London zwischengelandet (da hat es aber geregnet, also sind wir gleich weiter geflogen) und mit 45 Minuten Verspätung, gegen 14 Uhr in New York JFK angekommen. Da schien dann allerdings die Sonne (29°C), da haben die Amis nochmal Glück gehabt, denn sonst wäre Kristina gleich wieder nach Hause gefahren.
Im Hotel (Holiday Inn, sehr zentral gelegen) angekommen, reißt uns gleich jemand die Koffer aus der Hand und begleitet uns auf unser Zimmer.
Den noch verbliebenen Rest des Nachmittages verbringen wir damit, den Times Square zu erkunden und schon einmal an-hand des Ausblicks vom Battery Park auf die Freiheitsstatue zu evaluieren, ob sich der Weg über den großen Teich gelohnt hat.

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01. September 2008

Nach einer Odyssee durch Harlem – sehr interessant – auf der Suche nach Nahrung, kehren wir im Pancake House ein und bekommen Frühstück für fünf aufgetischt. Entsprechend vollgefressen machen wir uns auf den Weg zum Empire State Building, fahren mit dem Fahrstuhl rauf und genießen die Aussicht auf Up- und Downtown. Im Macy’s fahren wir die sieben Stockwerke mit den alten Holzrolltreppen rauf und runter.
Vorbei an der Ground Zero Baustelle geht’s weiter zu Fuß über die Brooklyn Bridge und zum Abschluss mit der Staten Island Ferry an der Liberty Island mit der Freiheitsstatue vorbei Richtung Sonnenuntergang. Ein ereignisreicher und beeindruckender Tag!

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02. September 2008

Im Grunde sind wir den ganzen Tag gefahren: zuerst mit unse-rem ganzen Gepäck zum Newark Flughafen, was die Subway, die S-Bahn, einen Nahverkehrszug und den Newark AirTrain beinhaltet.
Dort mieten wir einen Automatikwagen und machen uns auf den Weg in die Weltmetropole Stowe, VT. Geschätzte 150 Ein-wohner und rund 10 Hotels, mitten in der Pampa. Eins davon ist unseres und da checken wir spätabends ein. Sehr gemütlich.

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03. September 08

Weiter gen Canada, entlang des Lake Champlain, mit einem sehr schönen Panorama. Fabian und Heike fotografieren wie die Bekloppten.
Wir machen einen kleinen Abstecher über die Lake Champlain Islands und fahren mit der Autofähre über den See. Gegen 13h passieren wir die kanadische Grenze. Die Kanadier sind wirklich nette Menschen, denn sie sprechen französisch!
Abends kommen wir in Québec in unserem, zwischen unzähli-gen Restaurants an einer belebten Straße – beinahe versteckt – gelegenen, kleinen Hotel an. Ein kleiner Spaziergang durch die Altstadt Québecs und ein Vorgeschmack auf den morgigen Tag.

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04. September 2008

Wir erkunden Québec Stadt: die Altstadt, den Hafen und die Innenstadt. Mit einem Schrägwandaufzug geht’s den großen Höhenunterschied der beiden Stadtteile hinab, mit der Treppe wieder rauf. Von der alten Stadtmauer aus können wir abends eine Diashow über die Geschichte Québecs (im Rahmen der 400-Jahr-Feier der Stadt) im alten Hafen an den Fassaden von großen Silotürmen einer Fabrik anschauen. Inzwischen ist es allerdings so kalt geworden, dass Heike und Kristina sich zu-rückziehen, bevor’s überhaupt richtig losgeht…
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05. September 2008

Es geht wieder früh los. Und wärmer geworden ist es auch nicht wirklich. Ab Québec geht es heute in Richtung Montréal. Unterwegs bringen uns die scheinbar willkürlich ausgewählten und aufgestellten Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder ins Grübeln. Außerdem wirkt diese extrem fernseh-amerikanisch anmutende Umgebung mit den zeitweise völlig unerwartet französisch sprechenden Menschen darin etwas verwirrend.
In Montréal (rund 35°C + heißer Wind) wird es langsam wieder anglophoner: die Rezeptionisten in unserem Courtyard Hotel, in welchem wir ein Zimmer im 14. Stock bewohnen, sowie Ver-käufer und Ähnliches, sprechen zumeist sofort englisch oder zumindest beide Sprachen. Man sucht sich also im „Café Star-bucks“ aus der französischen Getränkekarte seinen Kaffee aus, muss seinen Wunsch dann daraufhin allerdings auf Englisch vortragen. Oh dear!

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06. September 2008

Ein weiterer Tag in Montréal. Keine Sonne, Wind. Wir beginnen ihn mit einer Besichtigung des Olympiaparks, wo 1976 die olympischen Sommerspiele stattfanden. Vom sogenannten Olympiaturm aus (der allerdings erst elf Jahre nach Ende der Spiele fertiggestellt wurde), hat man einen netten Ausblick auf die Stadt und den namengebenden „Mont-Royal“. Diesen grünen Hügel fast mitten in der Stadt besteigen am Nachmittag Fabian und Kristina und schauen sich somit das ganze nochmal von der anderen Seite an.
Danach fahren wir mit der U-Bahn zur – vor der Stadt im St. Lorenz Strom gelegenen – Isle Ste. Hélène. Dort beginnt es zu regnen und soll auch erstmal nicht wieder aufhören. Mit dem Boot fahren wir wieder zurück und spazieren noch ein wenig im Regen durch die Altstadt.

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07. September 2008

Wetter unbeständig wie gehabt. Auf die relativ kurze Fahrt von Montréal nach Ottawa folgt eine ebenso kurze Stadtbesichtigung der kanadischen Hauptstadt, die 1857 – aus eher pragmatischen Beweggründen heraus – von der englischen Königin zu eben jener ernannt worden ist, um dem Streit um den Hauptstadtstatus zwischen den großen kanadischen Städten wie Calgary und Toronto ein Ende zu machen.
Die Stadt lässt kaum eine Gelegenheit aus, ihren Besuchern ihren Stolz über diese Tatsache unter die Nase zu reiben.
Wir besichtigen also das Parlamentsgelände, gehen zu Fuß über die Provinzgrenze zwischen Ottawa, ON und dem angrenzenden Gatineau, QC, die sich mitten auf der Brücke über den Ontario River befindet, der die beiden Städte voneinander trennt.

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08. September 2008

Nachdem wir uns in den letzten Tagen langsam aber sicher davon entfernt haben, ihn jedoch immer noch zumindest mar-ginal tangiert haben, verlassen wir heute endgültig den franco-kanadischen Sektor.
Wir verbringen eine Menge Zeit auf einer Straße zwischen un-glaublich vielen Bäumen. Wer dachte, Stowe läge in der Pampa, war noch nicht im Algonquin Park. Ein riesiger Nationalpark, am Rande dessen unsere nächste Unterkunft liegt: ein kleines Holzhäusschen am See mit einer kleinen Terrasse und Grill. Den probieren wir abends gleich aus!

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09. September 2008

Das Wetter kann sich nicht so recht entscheiden. Ebenso schwer fällt uns die Entscheidung zwischen einer Bootstour – oder keiner. Es pendelt sich bei erfrischenden 12°C ein, hin und wieder schaut die Sonne durch den Regen hervor, also begeben wir uns „ins Wasser“. Nachmittags wird es etwas klarer und wir machen einen, laut Informationsbroschüre „moderaten“ Spaziergang durch den Park an den „Whiskey Rapids“ entlang.

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10. September 2008

Wir nähern uns dem Ende und der letzten „Station“: Niagara Falls. Auf dem Weg dahin machen wir einen kurzen Stop in Toronto, besteigen das größte Gebäude der Welt – den CN Tower – bis auf eine Höhe von 467 Metern und genießen bei klarem, sonnigem Wetter eine ungetrübte Aussicht auf die Stadt. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt fahren wir weiter Richtung kanadisch-amerikanischer Grenze und kehren in unserem letzten Hotel mit unverkennbarem Etap-Charme ein.

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11. September 2008

Morgens nach dem Frühstück, das das erste Mal auf der gesamten Reise in der Übernachtung inbegriffen war, gehen wir zu Fuß zu den Niagarafällen. Auf dem Weg dorthin fängt es trotz blauem Himmel und Sonnenschein an zu regnen – dachten wir. Kommt uns auch ein bisschen komisch vor. Je mehr wir uns dem Fluss nähern, desto logischer scheint die Erklärung: durch die Windrichtung begünstigt weht die durch die gewaltigen Wasserfälle verursachte Gischt über die Stadt hinweg und fällt nach und nach wie ein feiner Regen auf dieselbe nieder.
Wir entschließen uns zu einer Bootsfahrt in das „Auffangbe-cken“ der auf der kanadischen Seite gelegenen, hufeisenförmi-gen „Horseshoe-Falls“. Am Eingang werden blaue(!) Regen-capes verteilt, deren tatsächlicher Nutzen im Laufe der Fahrt immer ersichtlicher wird, verwandelt sich doch der gischtartige Nieselregen langsam aber sicher in eine handfeste Dusche.
Nass und um eine Erfahrung reicher wollen wir ein letztes Mal in die USA reisen, was sich als umständlicher und langwieriger als befürchtet erweist. Da die Kanadier bei der Ausreise aus den USA unsere Visa einbehalten haben, dürfen wir den ganzen Einreisekrempel nochmal von vorn durchlaufen. Was ein Spaß!
Abends schauen wir uns die Wasserfälle noch einmal im Dun-keln und farbig beleuchtet an, während wir uns ein weiteres Mal duschen lassen. Es hat sich offensichtlich gelohnt!

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12. September 2008

Zum Glück fahren wir heute nach Hause, denn hier regnet es. Diesmal wirklich! Ein letzter Blick auf die Falls, dann Toronto. Das war’s. Schön war’s!



Scirocco


08/2008

Hatte ich mich schon über das Wetter beklagt? Nein? Dann ist es wohl langsam an der Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass ich das irgendwann mal sagen würde, aber ich wünschte, es wären einfach mal 5°C weniger. Ich habe mich seit bestimmt 3 Wochen nicht mehr freiwillig in die Sonne gesetzt und wer mich kennt, weiß, was das heißt.
Bei gefühlten 45° im Schatten, die sich nur zwischen 2 und 6 Uhr morgens auf rund 30 abkühlen, wünscht man sich doch das eine ums andere Mal wieder das Bedürfnis, eine Jacke anzuziehen. Nun ich bin gespannt, wie die Reaklimatisierung von statten gehen wird.
Heute war es unglaublich windig. Nun könnte man denken: hmm, Wind, das ist doch bestimmt ganz angenehm bei den Temperaturen. Nunja, man sieht schon von weitem, dass das hier offensichtlich nicht der Fall war. Dieser Wind, der – laut Aussagen von Einheimischen – noch einiger Tage so anhalten wird, kommt aus Süden. Ich hol mal meinen Globus raus. Ah, direkt südlich von Frankreich liegt das Meer – und danach: Afrika. Ja, da isses schön warm! Was hier ankommt nennt sich Schirokko ist ein starker Südwind der die rund 40° warme Luft samt Sand und was sich da sonst noch so findet unter den Franzosen verteilt. Nett.
So. Was tut sie da eigentlich die ganze Zeit?
1. Schule öffnen: Türen, Fenster, Klassenräume, Jalousien
2. Fragebögen der Abgereisten: auswerten und in Excel-Tabelle eintragen
3. Anwesenheitskontrolle: Da das Programm (eigentlich für Erwachsene) auch für 17jährige zugänglich ist, muss ich jeden Morgen durch alle Klassen laufen und prüfen, ob alle Minder-jährigen da sind. Wenn nicht, die Gastfamilie oder Unterkunft anrufen und fragen, wo sie denn abgeblieben sind, da die Schule die Verantwortung hat.
4. Convocation: Hat jemand nicht bezahlt, braucht einen Transfert oder hat sonstwas verbrochen, schreibe ich eine Convocation, will meinen eine Notiz, die demjenigen Schüler sagt, er möge doch bitte während der Pause mal an der Réception antanzen. Dann suche ich raus, in welchem Klassenraum sich der Bösewicht befindet und verteile die Notizen.
5. Point Info: Während der Pausen zwischen 10 und 11 Uhr befinde ich mich am „Point Info“ um Informationen über die Umgebung, Buspläne, Museen, Fahrradverleih und so Sachen zu geben. Oder um Jetons, Telefonkarten oder Exkursionen zu verkaufen. Nach den Pausen die Organisation für die Ausflüge anrufen und die reservierten Plätze buchen.
6. Post: Briefkasten für Postein- und –ausgang kontrollieren und ggf. verteilen
7. Bank: Scheine zur Bank bringen und gegen Münzen eintau-schen
8. Schülerausweise: für die Neuen schreiben (ja, mit der Hand! Dazu folgt noch ein Extrakapitel, dass sich mit slawischen und skandinavischen Namen beschäftigt)
9. Tour durch die Schule: Neuankömmlingen die Zimmer zeigen (Sonntags) und die Schule und den Ablauf erklären
10. Blumen gießen, Kopien machen, Informationen zusammensammeln, Buspläne ausdrucken, Telefonate annehmen, putzen-wischen-staubsaugen….

UND natürlich immer für die Schüler, die alle irgendwelche Probleme, Wehwehchen oder sonstige Sorgen und Nöte haben, da sein und so gut es geht irgendwas dagegen tun.
Bis zum nächsten Mal!